Kommentar:In München zählen nur Titel

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Wenn Eishockey in München langfristig erfolgreich sein will, darf der Titel keine Momentaufnahme bleiben.

Von Johannes Schnitzler

Zu den Bildern, die dieser Freitag in Wolfsburg produzierte, zu den üblichen Momentaufnahmen von Bierduschen, Zigarrenwolken und Konfettikanonaden, wollte ein Bild nicht recht passen. Es war das Bild von Franz Reindl und Gernot Tripcke. Reindl, der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes, und Tripcke, Geschäftsführer der Deutschen Eishockey Liga, standen nebeneinander in der Wolfsburger Arena - und tippten versunken auf ihren Smartphones herum. Vielleicht spielten sie ein Online-Spiel gegeneinander, vielleicht erkundigten sie sich nach dem Zwischenstand des WM-Tests der Nationalmannschaft, die gleichzeitig in Riga spielte, vielleicht leiteten sie schon ihre Kommentare zum Münchner Titelgewinn an ihre Pressestellen weiter. Dieses Finale jedenfalls, das suggerierte das Bild, schien nicht ihre volle Aufmerksamkeit zu absorbieren. Wolfsburg gegen München, das war zwar das logische Endspiel der beiden besten Teams dieser Saison. Es war aber eben auch ein wenig steril. "Ein untypisches Finale - zwei Klubs ohne große Tradition": Wolfsburgs Trainer Pavel Gross hatte das gesagt.

Der EHC München, 2010 aufgestiegen, war 2012 schon "klinisch tot", wie sein damaliger Vorsitzender es ausdrückte. Dann kam Red Bull. Dank der Millionen des Getränkekonzerns aus Salzburg haben die Münchner nahezu unbeschränkte Mittel. Aber "Geld ist nicht alles", sagt Uli Maurer, der als einziger aus der Meistermannschaft schon 2010 für München spielte. Auch Titelverteidiger Mannheim, die Hamburg Freezers oder der ERC Ingolstadt, Meister 2014, sind flüssig. Ins Viertelfinale hat es trotzdem keiner von ihnen geschafft. Es gehöre eben "mehr dazu", sagt Maurer.

Reindl und Tripcke waren dann rechtzeitig auf dem Eis, um München zu gratulieren und Wolfsburg, das VW-Team, zu trösten. Für Pavel Gross ist es das zweite Mal nach 2011, dass seine Mannschaft ohne einen einzigen Sieg aus dem Finale gefegt wurde. Der Gegner damals hieß Berlin, der Trainer: Don Jackson. Nicht nur Gross sollte sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass dieser Don Jackson wie damals, als er mit den Eisbären in sechs Jahren fünf Titel abräumte, eine neue Ära einleiten könnte. Die Vorgänger des EHC - MTV (1922), Hedos (1994) und die Barons (2000) - überlebten nach der Meisterschaft keine zwei Jahre in München. "Wenn Eishockey hier langfristig Erfolg haben will, müssen Meisterschaften her", sagt Maurer. Der Titel 2016 darf keine Momentaufnahme bleiben. Volle Hallen, im Moment noch die Ausnahme, wären den Münchnern dann eher gewiss. Die volle Aufmerksamkeit gebührt ihnen schon jetzt.

© SZ vom 25.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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