Kommentar:Im Strudel

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Das IOC kann es sich kaum noch leisten, verdächtige Russen zu stützen: Olympias Image ist mit dem Verdacht auf Korruption nun selber in Gefahr.

Von Thomas Kistner

Bis zu 50 Milliarden Dollar soll Russland in seine Sotschi-Winterspiele 2014 gesteckt haben. Wer solche Irrsinnsbeträge in ein Sportfest investiert, tut vermutlich alles dafür, dass ihm auch die Früchte zufallen. Olympias Früchte sind Medaillen; Gold- und Gesamtwertung dominiert hat das russische Team. 33 Plaketten räumten Putins Sportler ab. Nicht schlecht, 2010 in Vancouver waren sie nur Sechste. Nun enthüllt Grigori Rodtschenkow, Chef des Sot schi-Testlabors, er habe positive Proben russischer Athleten durch saubere ersetzt. Mindestens 15 Medaillengewinner hätten profitiert von einer Verschwörung, die mit Hilfe des Geheimdienstes orchestriert worden sei.

Wenn zutrifft, was der in die USA geflohene Whistleblower berichtet, und Zweifel daran sind gering, dann ist die Integrität der Olympischen Spiele schlimmer als je zuvor beschädigt. Zumal starke Kräfte im IOC bis zuletzt bestrebt waren, Russlands weggen staatlich strukturierten Systemdopings schon gesperrte Leichtathleten für die Sommerspiele in Rio freizupauken. Sieht man die Dopinghistorie des Landes und die "Kultur des Betrugs", die jüngst eine unabhängige Kommission ermittelt hat, fällt es schwer, plausible Gründe zu finden, weshalb Russlands Sport seine Vormachtstellung nach Ende der pharmaverseuchten Sojwet-Ära anders als auf verbotenem Wege wiedererlangt haben sollte.

Alles gehört jetzt auf den Prüfstand, vom legendär engen Verhältnis Putins zu den Sportfürsten Thomas Bach (IOC) und Sepp Blatter (Fifa) bis zu der Frage, was dem Fußball im Ausrichterland der WM 2018 blüht. Wie wollen die Gastgeber, die keine nennenswerte Kicker-Generation haben, der Erwartung gerecht werden, dass sie ins Finale vorstoßen?

In Putins Reich ist keine Aufklärung zu erwarten. Das müssten andere erledigen; vorneweg das Internationale Olympische Komitee. Aber das steckt nun selbst im Affären-Strudel. Zur Russen-Affäre gesellt sich ja soeben eine weitere, die den Ringe-Zirkel schwer unter Druck bringt: Haben Japans Tokio-Bewerber 2020 einen Millionenbetrag auf ein Schwarzgeldkonto im familiären Umfeld des Ex-Leichtathletikchefs Diack bezahlt? Diack war Wahlmann im IOC, er war einflussreich - und einschlägig vorbelastet. All das war bekannt im IOC.

Hört man die Pariser Ermittler, dann liegt ihnen etwas vor, das in der Fifa-Affäre um Fußball-WM-Vergaben ab 2006 vom FBI und anderen Instanzen noch gesucht wird: letzte Korruptionsbelege.

Im Kontext der neuen Affäre findet sich der Marketingriese Dentsu, so, wie auch im Hintergrund anderer Sportaffären seit den Neunzigern. Ein Dentsu-Manager spielt in der Ticket-Affäre um die Fußball-WM 2006 eine Rolle, hierzu wird in der Schweiz ermittel. Auch besaß Dentsu Anteile an der Schweizer Sportagentur ISL, die einst systematisch Funktionäre bestach. In den Nullerjahren ermittelte dazu die Strafjustiz, allerdings nur im Fußballbereich. Weil diese Arbeit das FBI nicht überzeugte, holten sich die Amerikaner im Herbst 2015 die ISL-Akten bei den Schweizer Kollegen ab.

Geht das FBI nun auch den Russland-Vorwürfen nach, blüht Bachs IOC ein viel größeres Problem als die Frage, wie es der Welt weismacht, dass sich blitzsaubere Russen auf Rio freuen. Es sieht ja nun so aus, als müsse die Fifa-Affäre bald umgetauft werden: In Fifa/IOC-Skandal.

© SZ vom 13.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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