Kommentar:Ihr könnt sie mal gern haben

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Sandro Wagner ist der beste deutsche Stürmer der Liga und die junge Mannschaft noch immer ungeschlagen. Auch wenn das vielen Fans recht wäre, sollte man den Erfolg der TSG Hoffenheim nicht mehr ignorieren.

Von Sebastian Fischer

Es ist ein Indiz für Erfolg im Fußballgeschäft, wenn man geliebt und gehasst wird. Das weiß Cristiano Ronaldo, das weiß Uli Hoeneß, das wissen sie beim FC Bayern. Abneigung alleine ist natürlich unbefriedigend, Liebe ist vergänglich, die Gefahr ist groß, irrelevant zu werden - so, wie es die TSG Hoffenheim jahrelang war. Doch damit ist nun Schluss: Der Verein hat es verdient, dass ihn ein paar mehr Menschen gern haben als die Bewohner seiner Heimatstadt Sinsheim (35 175). Erst Recht nach diesem Bundesliga-Samstag, an dem einer wieder mal bewies, dass er zu Deutschlands Besten gehört: Sandro Wagner, Vorlagengeber und "One-Touch-König" beim 1:0-Treffer in Leipzig.

Die Geschichte der TSG in der Bundesliga begann, nimmt man Auffälligkeit zum Maßstab, vielversprechend: mit Hass. Viele fürchteten, der von Milliardär Dietmar Hopp finanzierte Verein würde dem Mäzenatentum in der Bundesliga Tür und Tor öffnen. Als Hoffenheim allerdings bald nach dem Aufstieg nicht mehr an der Tabellenspitze mitspielte, sondern gegen den Abstieg kämpfte, war der kleine Klub den meisten Beobachtern eher egal.

Nun aber hat Hoffenheim als sechste Mannschaft der Bundesliga-Geschichte eine Hinrunde lang nicht verloren, ist Dritter und ein Kandidat für den Europapokal. Hoffenheim polarisiert wieder.

Am besten zu erkennen ist das am bekanntesten Spieler, der gerade das Hoffenheimer Trikot trägt und jeden Fußballfan in Deutschland bewegt: So einen wie Sandro Wagner hatte die TSG noch nie. Einen, über den die Welt titelt, dass er "einfach nur noch nervt" und die Zeit schreibt, er sei ein unschlagbarer "Gladiator". Hunderttausende Menschen können Wagner überhaupt nicht leiden, weil er meint, Fußballer würden zu wenig Geld verdienen. Und hunderttausende Menschen können ihn genau deshalb so gut leiden, weil er einer von ein paar handverlesenen Fußballern ist, die überhaupt noch ihre Meinung sagen. Wagners Meinung, er sei derzeit der beste deutsche Stürmer und hätte eine Nominierung fürs Nationalteam verdient, lässt sich nach diesem Wochenende kaum noch kleinreden.

Doch es liegt nicht nur am spitzfindigen Stürmer mit Spitzbart, dass die TSG Hoffenheim an Profil gewinnt. Und auch nicht nur an Julian Nagelsmann, dem jüngsten Trainer der Liga, der bislang eher etwas für den Geschmack von Taktik-Nerds ist und nicht für den Mainstream. Es ist die Hoffenheimer Mannschaft, die Freude bereitet. Sie kommt weitestgehend ohne sogenannte Stars aus, die einzigen Nationalspieler, Niklas Süle und Sebastian Rudy, krallt sich im Sommer der FC Bayern. Im ganzen Kader sind nur zwei Spieler über 30, in der Startelf waren am Samstag alle jünger. Die meisten wurden entweder andernorts für entbehrlich befunden oder selbst ausgebildet.

Man stelle sich einmal die Euphorie vor, die ein solches Team auslösen könnte, würde es zum Beispiel für den nicht minder kommerzverdächtigen Hamburger SV spielen, der seinen Fans im zweiten Spiel nach der Winterpause ein 0:2 in Ingolstadt zumutete. Der HSV, dies nur am Rande, ist den meisten Menschen wohl nur deshalb noch nicht egal, weil sie sich fragen, wann es mit dem ersten Abstieg endlich so weit ist.

Unabhängig davon, wen man so liebt oder hasst - ignorieren konnte man als Fußballfan ein Spiel an diesem Wochenende sicher nicht: Leipzig gegen Hoffenheim. Zyniker hatten vorher vom "Plastico" gesprochen. Sie sollten lieber mal anfangen, sich Sandro Wagner im DFB-Trikot vorzustellen.

© SZ vom 22.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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