Kommentar:Hölle fällt aus

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Den Münchner Fußballern war es diesmal besonders wichtig, sich im Hinspiel keine Blöße zu geben. Das Auswärtsspiel gegen Besiktas Istanbul ist zwar erst in drei Wochen aktuell, doch klar ist schon heute: Es wird genug Unwägbarkeiten mit sich bringen.

Von Claudio Catuogno

Es ist noch nicht oft vorgekommen, dass vor einem Heimspiel des FC Bayern in der Champions League bereits das drei Wochen später folgende Auswärtsspiel das beherrschende Thema ist. Aber man spielt halt auch nicht alle Tage in der Hölle. "Achtung, Fußballhölle", das war der Warnhinweis gewesen, der die bevorstehende Reise zu Besiktas Istanbul begleitete. Eine bisweilen ins Aggressive hinüberlappende Fankultur, mit den Gepflogenheiten des mitteleuropäischen Eventpublikums kaum zu vergleichen, dazu ein tief in den Hang gegrabener Stadionkessel, der mit 141 Dezibel den Stadionlautstärkenrekord hält. Subtext: In dieser Arena kann alles passieren! Aber nun saß Jupp Heynckes nach dem 5:0 auf der Pressekonferenz, und ein türkischer Journalist wollte wissen, wie das denn nun sei für den Bayern-Trainer: zu realisieren, dass der Trip in die Hölle abgesagt ist - und stattdessen die Auffahrt ins Himmelreich bevorstehe. Also: der Champions-League-Sieg.

Die Begrüßung in Istanbul dürfte ein paar Dezibel leiser ausfallen

Nun muss man es mit Himmel und Hölle nicht übertreiben, und ebenso wenig macht ein 5:0 gegen früh dezimierte Türken die Bayern gleich zum ersten Anwärter auf den Henkelpott. "Schwachsinn" nannte derlei Prognosen sogar Präsident Uli Hoeneß, wiewohl sein eigenes Sehnen sicher in dieselbe Richtung geht. Fakt ist aber, dass es den Münchnern diesmal besonders wichtig war, sich im Hinspiel daheim keine Blöße zu geben - weil der Trip nach Istanbul schon genug Unwägbarkeiten mit sich bringt.

Oder?

Ooooch, nööööö, behauptete hinterher Hasan Salihamidzic, der Sportchef. Lärm sei nun wirklich nichts, wovor man sich fürchte. In Glasgow, bei Celtic, sei es auch laut gewesen, dann werde es halt bei Besiktas noch etwas lauter. Kein Problem. Irgendwann müsse man auf dem Platz eh auf nonverbale Kommunikation umstellen, "ob du nichts hörst oder ob du nichts hörst, ist dann das Gleiche". Aber man muss sich nur noch mal an den Stürmer Timo Werner erinnern, dem der infernalische Lärm im Gruppenspiel mit RB Leipzig bei Besiktas so sehr auf die Ohren schlug, dass er ausgewechselt werden musste. Seine ganze Mannschaft war nicht wiederzuerkennen. Die Begrüßung der Bayern dürfte angesichts der klaren Ausgangslage nun ein paar Dezibel leiser ausfallen. Hölle light.

Aber, man kann das zum Beispiel bei Jean-Paul Sartre nachlesen: Die Hölle, das ist gar nicht immer ein Martyrium aus Lärm und Feuer. Die Hölle, das sind die anderen. Manchmal sogar die Teamkollegen? Bisher hat der Trainer Jupp Heynckes Eitel- und Begehrlichkeiten im Bayern-Kader souverän moderiert. Sollte es nötig werden, wird er bestimmt auch zu den Folterinstrumenten greifen.

© SZ vom 22.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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