Kommentar:Herr Noack, bitte übernehmen!

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Kalte Computer-Software der Deutschen Fußball Liga, Sorge um die Aufsteiger und Sehnsucht nach der guten alten Zeit.

Christof Kneer

Das Gute an den alten Zeiten war, dass es noch Männer gab, denen man vertrauen konnte. Eduard Zimmermann etwa, der hätte schon deshalb nichts Widerrechtliches tun können, weil er dann in Aktenzeichen XY nach sich selbst hätte fahnden müssen ("Hallo, Konrad Töns in Zürich, gibt es schon Hinweise auf mich?").

Der Schweizer Kollege Töns, auch so ein anständiger Mann, hätte ihm bestimmt geholfen, vorausgesetzt, es hätte sich um einen Überfall auf ein Kantonspostamt gehandelt. Noch seriöser waren damals höchstens Hans Kindermann, Chefankläger des DFB, und Walter Baresel, der bei Pokalauslosungen würdig im Bild herumstand und unfallfrei "FSV Salmrohr" sagte.

Aber der ehrenwerteste von allen war Hans-Georg Noack. Das war jener Mann, der sich sommers mit Block, Schere und Klebstoff in einen Keller zurückzog, um den Bundesliga-Spielplan zusammenzubasteln - jenen Kalender, nach dem Spieler und Fans, Polizisten und Journalisten, Busunternehmer und Ehefrauen ihr ganzes Jahr ausgerichtet haben.

Ob das mit Herrn Noack auch passiert wäre? Ob er jemals solche Grausamkeiten ausgeheckt hätte wie die Computer-Software der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die den Aufsteigern Bochum, Aachen und Cottbus einen Einstand in Form von schweren Auswärtsspielen spendierte?

Wäre die Computer-Software ein Kantonspostamt, man müsste umgehend Konrad Töns einschalten, und bleichen Gesichtes würde der die Fakten vom Tatort zusammentragen: Alle drei Aufsteiger haben verloren; sie haben zusammen ein einziges Tor zustande gebracht, das abgefälscht war und in Wahrheit von einem Mainzer Knie erzielt wurde; den Aachenern ist der Torwart per Platzverweis abhanden gekommen; und am nächsten Spieltag folgen Heimspiele gegen die Ligagrößen Hamburg (Cottbus), Schalke (Aachen) und München (Bochum).

Es gehört zur Folkore eines Bundesligastarts, dass man die Aufsteiger feierlich willkommen heißt. Man freut sich, dass sich die Aufsteiger freuen, dass sie dazugehören, und man akzeptiert für ein paar Spieltage sogar das Wort Region, für die die Aufstiegs- euphorie angeblich gut ist.

In diesem Jahr aber muss man sich von Beginn an Sorgen machen um die Aufsteiger, die vom Spielplan so zielsicher klein gehalten werden, dass die Regionen Bochum, Aachen und Cottbus zu euphoriefreien Zonen werden könnten. Einmal unten, immer unten, das ist ein krimineller Kreislauf, gegen den Aktenzeichen XY dringend mal was unternehmen müsste, aber vielleicht wird am dritten Spieltag ja doch noch alles gut. Dann hat Bochum wieder ein Heimspiel. Gegen Cottbus.

© SZ vom 14.08.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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