Kommentar:Gruß aus der Steinzeit

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Modern ist, wenn man trotzdem auf die Tradition achtet. Dass der Nachwuchs wichtiger ist als eine aufgebrezelte Eventkultur, ist eine Erkenntnis, die schon in der Steinzeit des Sports bekannt war.

Thomas Hahn

Das Datum auf dem Zeitungskopf schaut nun schon wieder um eine Ziffer futuristischer aus, und unweigerlich nähern wir uns der Zeit, die bisher nur Science-Fiction-Autoren und Captain Future kannten. Oder war die Zukunft nicht gestern schon? Es gibt ja offenbar verschiedene Arten der Moderne, manche sind schon Ende des 19. Jahrhunderts zu Ende gegangen, andere ein paar Jahre später, um anschließend einer Postmoderne Platz zu machen, die aber auch längst wieder vorbei ist. Insofern ist die Epoche, in welche das Jahr 2007 fällt, tendenziell eine Postpostpost-usw.-Moderne, in der es wie in allen anderen Modernen vorher um den Fortschritt geht. Wobei es wohl auch in der Antike schon um den Fortschritt ging, obwohl die Antike heute als altertümlich gilt. Vermutlich weil es noch kein Auto gab.

In Wirklichkeit ist Fortschritt immer eine Frage der Perspektive. Und wenn man diese Frage nun herunterbricht auf die irdischen Ebenen des Sports, stellt man fest, dass die Leute dort zwar viel über Fortschritt sprechen, aber nicht immer das gleiche meinen. Im deutschen Wintersport gilt es seit ein paar Jahren als fortschrittlich, große Bühnen für Disziplinen wie Langlauf oder Skispringen zu schaffen, damit sie ein sogenanntes Medienspektakel werden. Indem man zum Beispiel künstlich hergestellten Schnee in Fußballstadien oder auf Stadtpromenaden kippt oder im Sauerland die größte Skisprungschanze ihrer Art baut.

Andere Länder finden es dagegen fortschrittlich, die Entwicklung ihres Kerngeschäfts, des Sports, mit kluger Nachwuchsförderung und weitsichtiger Technikschule so weit voranzutreiben, dass sie auf den fortschrittlichen deutschen Bühnen besser sind als die Gastgeber. Im Rahmen ihrer Traditionen versuchen sie, den Fortschritt vorwegzunehmen.

Es gibt durchaus Sparten beim Deutschen Ski-Verband, die sich nicht nur auf die nationale Vermarktungskunst verlassen. Interessanterweise blühen sie meist dann auf, wenn das Theater um sie nicht so groß ist. In der Nordischen Kombination zum Beispiel, klassischerweise im Schatten ihrer großen Brüder Langlauf und Skisprung, drängt der Nachwuchs nach oben. Die Langläufer kamen einst aus dem Nichts an die Spitze, und haben nun Mühe, in ihrer selbstforcierten Show-Disziplin Sprint der Konkurrenz zu folgen. Und die deutschen Skispringer, vom deutschen Skisprungsender RTL so modern inszeniert wie kein anderes Team im Weltcup, beklagen eine ernste Dürre beim Nachwuchs.

Modern ist, wenn man trotzdem auf die Tradition achtet. Dass der Nachwuchs wichtiger ist als eine aufgebrezelte Eventkultur, ist eine Erkenntnis, die schon in der Steinzeit des Sports bekannt war. In diesem Sinne: gute neue Zukunft.

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