Kommentar:Geteilte Freude

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Nach dem Aus der Fechtteams steht fest: Bei den Olympischen Spielen in Rio werden nur wenige deutsche Mannschaften am Start sein. Wie wichtig die aber für die Stimmung sind, zeigt ein Blick auf die am meisten bejubelten Siege in London.

Von Joachim Mölter

Wer hat schnell noch mal für die denkwürdigsten Olympia- Momente bei den Spielen 2012 in London gesorgt, aus deutscher Sicht? Waren das die Hockey-Männer, die so berauscht waren von ihrem Goldgewinn, dass sie auf der Heimfahrt fast ein Kreuzfahrtschiff zerlegten? Oder waren es die Beachvolleyballer Julius Brink und Jonas Reckermann, die eines Nachts als Sieger aus dem Sand hervorgingen?

Es sind in den meisten Fällen Mannschaften, die für die stärksten Gefühlsausbrüche bei Olympia sorgen, für das größte Gemeinschaftserlebnis - selbst wenn diese Mannschaften nur aus zwei Leuten bestehen. Man denke nur an Athen 2004, als das Tennis-Doppel Rainer Schüttler und Nicolas Kiefer im Beisein zahlreicher mitfiebernder deutscher Fans in einem epischen Finale fünf Sätze und dreidreiviertel Stunden lang bis nachts um halb drei kämpfte, ehe es sich dann doch den Chilenen Massu/Gonzalez geschlagen geben musste.

Für Sportler lebt das Olympia-Erlebnis erfahrungsgemäß von Emotionen, welche die Mannschaftsteile des Gesamtgebildes erzeugen. Wenn ein, zwei Dutzend Leute im olympischen Dorf einen Erfolg feiern, bewahrheitet sich das Sprichwort, wonach geteilte Freude doppelte Freude ist. So etwas hebt die Stimmung in der Gesamt-Delegation mehr, als wenn ein Einzelner in einer stillen Ecke auf seinen Erfolg anstößt.

Wie wichtig Mannschaften für eine überwiegend aus Individualisten zusammengestellte Expedition sind, wird einem nun wieder bewusst, da immer mehr deutsche Teams daheimbleiben müssen, wenn sich die Auswahl des Deutschen Olympischen Sportbundes im August auf den Weg nach Rio de Janeiro macht. Zuletzt sind auch die Degen- männer an der Olympia-Qualifikation gescheitert; der früher mal für Medaillen und entsprechende Stimmung bürgende Fechter-Bund schickt erstmals seit 1956 kein einziges Team an den Start, nur ein paar Einzelfechter.

Das ist umso bedauerlicher, weil generell kaum deutsche Mannschaften in Brasilien dabei sein werden: Die Fußballer beiderlei Geschlechts haben sich zwar qualifiziert, aber die spielen traditionell an vielen Orten im Land und sind kaum im olympischen Dorf anzutreffen. Bleiben die Handballer, die sich jüngst als Europameister überraschend die Teilnahme gesichert haben. Was die für Emotionen und Begeisterung ausgelöst haben, auch unter den Sportkameraden anderer Disziplinen, war in den Tagen danach eindrucksvoll zu bestaunen.

Und natürlich sind auch die Hockey-Teams der Männer und der Frauen wieder mit von der Partie. Die Heimreise aus Rio werden sie diesmal zwar nicht mit dem Schiff antreten, aber das wird sie im Fall der Fälle nicht am Feiern hindern.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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