Kommentar:Gescheiterte Reform

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Johannes Aumüller ist sportpolitischer Korrespondent in Frankfurt. (Foto: sz)

Es gibt viele Gründe für das nunmehr kulminierende Trauerspiel um die Reform des deutschen Spitzensports. Zentral ist, dass sie viel zu wenig als Chance für notwendige Veränderungen verstanden wurde. Dem Sport ging es viel zu sehr ums Geld.

Von Johannes Aumüller

Es lohnt sich, noch einmal einige Jahre zurückzublicken, auf den Beginn der vergangenen politischen Legislaturperiode. Drei Dinge waren damals in Sportdeutschland zusammengekommen. Erstens debattierte die Nation über zunehmend schlechtere Bilanzen bei den Olympischen Spielen. Zweitens hatte eine Journalisten-Klage aufgezeigt, wie intransparent und mäßig objektiv die Förderung des Spitzensports durch das Bundesinnenministerium (BMI) ablief. Und drittens kam der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) all dem zum Trotze zu dem Schluss, dass es für seine Top-Verbände einen Aufschlag von 38 Millionen zu den damals 130 Millionen Euro an jährlicher Förderung geben müsse. Ohne richtig zu erklären, warum eigentlich.

Dies war die Gemengelage, aus der die "Reform des Spitzensports" entstand. Das BMI trieb an, der Sport zog eher widerwillig, aber gelockt von der Aussicht auf viele neue Millionen nach. Jahrelang debattierten und stritten die Parteien, ständig gab es Verzögerungen. Am Ende brachten sie ein neues Förderkonzept zu Papier, das zwar einerseits sehr bürokratisch war und die Verteilung der Fördermittel zu sehr auf Medaillen fixierte; andererseits war es der ebenso klare wie notwendige Versuch der Politik, mehr Kontrolle über den Sport zu erlangen.

Doch aktuell verdichtet sich immer stärker ein Eindruck: Diese Reform des Spitzensports ist gescheitert.

Der Bundesrechnungshof hat in der vergangenen Woche einen vernichtenden Bericht formuliert, in dem er dem Sport vorwirft, bei der Umsetzung versagt zu haben und weit hinter den Vereinbarungen zurückzuliegen; zum Beispiel mit Blick auf Kader- und Stützpunktzahlen, die eigentlich verringert werden sollten. Bei Verbandsvertretern, Athleten und Trainern hat sich in den vergangenen Jahren Verunsicherung breitgemacht, eine immense Unruhe.

Nun wurde der zuständige BMI-Abteilungsleiter Gerhard Böhm abgelöst, auch nach heftiger Kritik aus dem Sport an seiner Person. Und DOSB-Präsident Alfons Hörmann wirbt beim neuen Innenminister Horst Seehofer um etwaige Anpassungen der Reform und bittet sportintern zu Gesprächen zum Thema. "Ein Scheitern der Reform wäre keine Niederlage eines einzelnen Partners, sondern aller Beteiligten", schrieb er an die Verbände.

Das Kernproblem: Dem Sport geht es viel zu sehr ums Geld

Es gibt verschiedene Gründe für das jahrelange, nunmehr kulminierende Trauerspiel um die Reform. Aber zentral ist, dass sie viel zu wenig als Chance für dringend notwendige Veränderungen verstanden wurde. Stattdessen ging es weiten Teilen des Sports schlicht ums Übliche: mehr Geld. Mit der Aussicht auf eine signifikante Aufstockung stimmte der DOSB dem Konzept zu, danach schwirrten die berauschenden Zahlen nur so durch die Luft. 55 Millionen mehr, 100, 120, geht noch mehr? Zwar galt immer schon die Abmachung, dass erst die Reform kommen müsse und es dann mehr Geld gebe; aber inzwischen bezeichnet DOSB-Boss Hörmann eine Aufstockung als "Voraussetzung" für die Reform.

Dies im politischen Betrieb durchzusetzen, wird schwer für den DOSB, selbst wenn er darauf hofft, dass ihm die neuen BMI-Verantwortlichen besser gesonnen sind als die alten. Dennoch könnte die Diskussion eine besondere Pointe bereithalten, sofern der organisierte Sport einen Weg finden sollte, dass er die fest zugesagte Reform als ein nicht weiter zu beachtendes Papierprodukt betrachtet. Denn im Vergleich zur Situation vor der Reformdebatte bekommt er ja schon heute deutlich mehr Geld: Für das Jahr 2019 sind zirka 70 Millionen Euro mehr vorgesehen als damals für 2013, eine Steigerung um mehr als 50 Prozent. Obwohl sich im Spitzensport substanziell nichts verändert hat. Und es stellt sich die Frage: Warum eigentlich?

© SZ vom 09.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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