Kommentar:Gerangel um den Trostpreis

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Weil das Finalturnier der Handball-Königsklasse erstmals seit 2010 ohne deutsche Klubs stattfindet, richtet sich der Fokus auf den EHF-Cup. Dauerhaft kann sich die Liga diese Konstellation aber nicht leisten.

Von Joachim Mölter

Es hat nicht viel gefehlt, und das Final Four um den EHF-Cup im Männer-Handball wäre an diesem Wochenende eine rein deutsche Angelegenheit geworden. Das hat der französische Klub Saint-Raphael Var verhindert, indem er im Viertelfinale den Bundesligisten MT Melsungen stoppte. Aber nun, in der Endrunde der besten Vier, sehen sich die tapferen Gallier einer Übermacht gegenüber in Form von Frisch auf Göppingen, dem SC Magdeburg und den Füchsen Berlin. Und die Franzosen haben nicht mal Heimvorteil - Titelverteidiger Göppingen ist auch Gastgeber.

Der EHF-Cup ist zwar nur der zweitwichtigste kontinentale Klubwettbewerb im Handball nach der Champions League, vergleichbar mit der Europa League im Fußball. Aber in diesem Jahr richtet sich der Fokus zumindest hierzulande stärker auf ihn als zuletzt: Zum ersten Mal seit Einführung des Final-Four-Formats in der Champions League 2010 fehlt bei dem in Köln ausgetragenen Turnier ein deutscher Vertreter - zweifellos ein Prestigeverlust. Nun müssen Teams aus der sogenannten zweiten Reihe dafür sorgen, dass die Bundesliga nicht erstmals seit 2003 komplett leer ausgeht bei der Verteilung internationaler Trophäen. Also werden sie um den Trostpreis rangeln.

Der EHF-Cup ist sowieso die wahre Domäne deutscher Handballer: Seit seiner Einführung 1982 kamen 21 Gewinner von hier, nur 14 aus dem Rest Europas. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde die Dominanz noch deutlicher: Da gaben die Deutschen den Pokal nur drei Mal ab. 13 hiesige Klubs haben den EHF-Cup bereits gewonnen, Kiel, Magdeburg und Göppingen sind mit je drei Titeln die erfolgreichsten.

Das spricht dafür, dass die Bundesliga tatsächlich die stärkste Liga der Welt ist, wie stets behauptet wird. Mit Sicherheit ist sie die ausgeglichenste. Das wiederum könnte ein Grund sein, warum ihre Spitzenklubs Rhein-Neckar Löwen, THW Kiel und SG Flensburg in dieser Saison vorzeitig aus der Champions League ausschieden: Sie fielen dem Abnutzungskampf in der Liga zum Opfer, gegen vergleichsweise frische, ausgeruhte Gegner, die in ihrer heimischen Liga kaum gefordert werden und sich aufs internationale Geschäft konzentrieren können. Sollte das Fehlen beim Champions-League-Final-Four jedoch zum Dauerzustand werden, muss sich die Bundesliga schnell etwas einfallen lassen.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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