Kommentar:Feuerkopf oder Klappstuhl

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Die einzig offene Frage, die sich aus dem aktuellen Wechseltumult auf dem Bundesliga-Trainermarkt ergibt, lautet: Wer folgt auf Jürgen Klopp in Dortmund? Ein kurzer Blick ins Sortiment.

Von Thomas Kistner

Der Klappstuhl. Ja, warum nicht der Klappstuhl? Hat der sich jüngst nicht wunderbar bewährt als Stütze des Betriebs, indem er dem angefassten Pep Guardiola Halt gab beim Elferschießen in Leverkusen? Der Shoot-out entschied ja über den Verbleib der Bayern im DFB-Pokal und damit über die Frage, ob Peps Titel-Mission auch im zweiten Jahr eine unvollendete sein würde. Noch, selbst nach dem Münchner 1:3 in Porto, ist das Triple weiter möglich.

Der Klappstuhl wurde über Nacht zum Erfolgs-Accessoire der Trainergilde. Na gut, für einen Trainerjob mag es trotz aller Bekanntheit für den Stuhl noch nicht reichen, aber ganz einleuchtend ist das nicht, sonst hängt die Branche ja auch in Treue fest an Fetischen und der eigenen Immobilität. Das zeigt die aktuelle Trainerlotterie. Dortmund stagniert, der HSV havariert, und weil es zu teuer und auch etwas umständlich ist, über Nacht das komplette Ballpersonal zu feuern, sagen halt die Übungsleiter Servus. Das ist das Harte am Trainerjob.

Die Königskategorie bilden die ewig jungen Wilden

Das immer wieder Gute ist: Sie bleiben in der Branche unter sich - wer mal drin ist, kann entspannt auf den nächsten Anruf warten. In dieser Systematik dürfte auch die Antwort auf die einzig offene Frage liegen, die sich aus dem aktuellen Wechseltumult ergibt: Wer folgt eigentlich auf Jürgen Klopp in Dortmund?

Kurz ein Blick ins Sortiment. Da ist der Typus Dinosaurier, Haudegen wie Thomas Schaaf oder Huub Stevens. Die Riege der Biotop-Trainer, die ihr Wirken gern abseits der massenmedialen Begleitung in Freiburg, Paderborn, Augsburg entfalten. Dann die Werks-Übungsleiter, die in Klubs von eher mäßigem Appeal wie Bayer Leverkusen oder VW Wolfsburg mit hochbesoldetem Personal über die Tabellenränge zwei bis sechs surfen; hinzu kommen die Quoten-Ausländer in Gladbach, Schalke, Berlin.

Fehlen noch die Typen, die jetzt gefragt sind. Hamburg sucht den harten Krisenhelfer und glaubt, ihn in Bruno Labbadia gefunden zu haben; um halb vier Uhr morgens wurde er aus dem Bett geklingelt. Die Königskategorie aber bilden die ewig jungen Wilden: Feuerköpfe, die ein Team hoch- und mitreißen können. So einer ist in Dortmund verglüht; er wird durch einen neuen ersetzt werden müssen. Dieses Stellenprofil läuft auf Thomas Tuchel zu, der dem wilden Klopp ja schon in Mainz ins Amt folgte.

Nein, Guardiola wird hier nicht vergessen. Zwar würde sich Tuchel auch dessen Nachfolge zutrauen. Aber die Bayern spielen halt in einer anderen Liga. Nach Pep reicht da sicher auch ein Klappstuhl.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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