Kommentar:Einsame Momente

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Knapp daneben: Serena Williams hat ein Spiel verloren, und damit den Heiligen Gral. (Foto: Seth Wenig/AP)

Serena Williams hat ihre Rekordziele bei den US Open verfehlt. Trotz ungeahnter Schwächen hat sie sich aber den Respekt des Publikums verdient.

Von Jürgen Schmieder

Das Kopfkino produziert beim Namen Serena Williams interessante Bilder: ein junges Mädchen mit bunten Perlen im Haar. Eine durchtrainierte Athletin, die während eines Ballwechsels einen Spagat vollführt und danach beim Jubel sowohl Oberarm-Muskulatur als auch Stimmbänder malträtiert. Eine selbstbewusste Frau, die lächelnd Trophäen umarmt. Eine Kämpferin, die auch mal benommen über den Platz taumelt oder nach vorne gebeugt über einer Werbebande hängt.

Auffällig ist dabei, dass auf all den Bildern immer nur Williams zu sehen ist. Was fehlt, das sind Gegenspielerinnen, die so groß sind, dass Williams daneben noch größer erscheint.

Sie hat nicht wie Evonne Goolagong eine Virginia Wade, wie Chris Evert eine Martina Navratilova oder wie Steffi Graf eine Monica Seles. Dafür sind, bei allem Respekt, die anderen Spielerinnen derzeit nicht gut, nicht konstant genug. Williams kämpfte bei diesen US Open um einen Eintrag in die Geschichtsbücher, sie wollte unbedingt alle vier Grand-Slam-Turniere in einem Kalenderjahr gewinnen und nach bedeutsamen Titeln Steffi Graf einholen. Natürlich sind in diesen Büchern Namen und Zahlen vermerkt, in Erinnerung bleiben den Menschen jedoch meist die Bilder.

Das Bild, das Serena Williams bei diesen US Open von sich selbst zeichnete, es war ein sehr einsames. Kein freundliches wie das von Roger Federer, der einem frisch verlobten Pärchen alles Liebe für die Zukunft wünscht, einen weinenden Jungen aus einer Schar von Autogrammjägern rettet oder während einer Aufführung von Finding Neverland auf dem Broadway weint. Die Bilder von Williams zeigen eine Frau, die ihren Trainingspartner Robbye Pole derart anfährt, dass der ungefähr zehn Klagen wegen Beleidigung hätte einreichen können. Die leichte Fehler ihrer Gegnerinnen derart martialisch bejubelt, dass selbst zwei Drittel der Zuschauer eingeschüchtert sind. Die ihre Kontrahentinnen wütend vom Platz prügelt. Es sind die gleichen Bilder wie bei allen anderen bedeutenden Turnieren in diesem Jahr.

Williams fehlten die großen Gegnerinnen, aber das kann man ihr schlecht vorwerfen

Es kam dann noch eines hinzu im Halbfinale: das einer Frau, die sich erschöpft auf der Bande abstützt in der Gewissheit, dass sie verlieren wird. Es wäre schlimm gewesen, wenn dieser traurige, dieser einsame Moment das Bild des Turniers geworden wäre. Serena Williams hat das Frauentennis geprägt in den vergangenen Jahren. Sie kann nichts dafür, dass sich keine andere Spielerin ins Bild gedrängt und sie zu unvergesslichen Duellen gezwungen hat. Sie hat sich den Respekt, der ihr nun trotz der Niederlage entgegen gebracht wird, erarbeitet und verdient. Ein Bild, das Schock oder gar Schadenfreude hervorruft, hätte nicht gepasst zu dieser Saison von Williams.

Das Bild dieses Turniers zeigt aber zwei Italienerinnen nach dem Finale bei einer herzlichen Umarmung, die Unterlegene strahlt nicht weniger als die Siegerin. Das ist ein schönes Bild - vor allem aber ist es herrlich erfrischend.

© SZ vom 14.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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