Kommentar:Des Favoriten Sorgen

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Boston, Kandidat für die Olympischen Spiele 2024, kämpft weiter mit Querelen. Nun soll der Bewerbungschef ausgetauscht werden. Wer sich darüber aber überhaupt nicht zu früh freuen darf, sind die Konkurrenten aus Hamburg.

Von Johannes Aumüller

Seit vier Monaten steht fest, dass Boston als amerikanischer Vertreter für die Olympischen Sommerspiele 2024 kandidiert. Seit vier Monaten darf sich die Ostküstenstadt als großer Favorit in diesem Wettkampf fühlen. Doch seit vier Monaten stolpert die Kampagne nur von einer unangenehmen Debatte in die nächste: über mangelnde Transparenz und über die zu erwartenden Kosten, über die Honorierung der Olympia-Botschafter und über persönliche Interessen in der Bewerbergesellschaft. Wie etwa bei deren Chef John Fish, einem Baumogul, dem trotz vieler Beteuerungen kaum jemand abnimmt, dass er das Olympia-Projekt nur aus edlen Motiven vorantreibt und nicht als Investitionsquell für seine Firmen.

Die Zustimmung in der Bevölkerung ist gering, in manchen Umfragen gar deutlich unter 50 Prozent. Und deshalb steht nun offenkundig ein Wechsel an zentraler Stelle an: Fish soll weichen, stattdessen könnten die sportgestählten Steve Pagliuca, Mit-Besitzer der Celtics-Basketballer, und Larry Lucchino, Chef der Red-Sox-Baseballer, führende Rollen übernehmen. Noch sind die Planungen nicht offiziell beschlossen, aber sie zeigen, wie nervös sie in Boston sind.

Die Debatten, die Boston führt, stehen Hamburg noch bevor

Ob ein Wechsel ausreicht, um die Stimmung zu drehen, muss sich zeigen. Aber sind Bostons Sorgen ein Grund, dass sich der deutsche Rivale Hamburg nun größere Hoffnungen machen darf? Eher nicht. Sollte die US-Stadt das Bürgervotum 2016 überstehen, interessiert das Internationale Olympische Komitee (IOC) der Hickhack der jetzigen Bewerbungsphase nicht mehr und bleibt sie der Favorit: weil die USA 2024 nach dann 28 Jahren ohne Sommerspiele wieder mal an der Reihe wären und weil das IOC zuletzt viel Geld vom amerikanischen TV-Kanal NBC einstrich. Sollten Bostons Bürger aber Nein sagen, lägen Paris und Rom immer noch aussichtsreicher im Rennen als Hamburg. Denn aus Sicht der Hansestadt bleiben zwei kritische Punkte. Erstens, dass sie keinen sonderlich ausgeprägten Ruf als Sportstadt genießt. Und zweitens, dass für 2024 in Deutschland die Fußball-EM fix verabredet ist - beide Großveranstaltungen in einem Sommer in einem Land widerspräche allen sportpolitischen Grundsätzen.

Außerdem müssen alle deutschen Olympia-Enthusiasten, die gerade mit etwas Schadenfreude gen Amerika blicken, noch eines bedenken: Die Phase, die Boston gerade durchläuft, steht Hamburg noch bevor. Die deutsche Bewerbergesellschaft beginnt erst jetzt offiziell ihre Arbeit, viele Pläne sind noch unklar - und vor allem will noch niemand der Bevölkerung sagen, wie teuer es werden würde, die Industriehalde auf dem Kleinen Grasbrook und die sonstigen Ecken der Hansestadt für eine Olympia-Infrastruktur umzurüsten. Wenn das erst einmal bekannt ist, dürfte es bis zu dem für Herbst angepeilten Bürgerentscheid ein hartes Stück Arbeit werden, die Hamburger von einem Ja zu überzeugen.

© SZ vom 12.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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