Kommentar:Daums Weisheiten

Lesezeit: 2 min

Ein einzelner Sieg macht aus Frankfurter Profis noch keine Siegertypen. Auch in Hannover wird die Siegermentalität nicht mehr einkehren. Wie es gehen kann, zeigt ein junger Trainer aus Hoffenheim.

Von Tobias Schächter

"Wenn der Kopf richtig funktioniert, ist er das dritte Bein." Gesagt hat diesen Satz der Fußballtrainer Christoph Daum vor fast genau fünf Jahren, nachdem er Eintracht Frankfurt im Abstiegskampf übernommen hatte. Daums lustiges Bild vom Kopf als psychologischem Krückstock für lahme Kicker schaffte den Einzug in die Schatzkiste kurioser Zitate der Bundesliga. Immerhin. Denn abgestiegen ist die Eintracht danach sang und klanglos.

Abgestiegen ist seit diesem Spieltag wohl Hannover 96. Ein Fußballwunder am Maschsee wird nach dem 0:1 in Frankfurt immer unwahrscheinlicher. Die Frage ist also: Wer steigt mit Hannover ab?

Niko Kovac würde wohl nie vom Kopf als drittem Bein sprechen, obwohl er Christoph Daum schätzt. Einst kickten Kovac und sein Bruder Robert unter Daum bei Bayer Leverkusen. Nun sind die beiden Brüder seit zwei Wochen bei Eintracht Frankfurt als Trainer, Niko als Chef, Robert als dessen Assistent. Die Ausgangslage in Frankfurt ist aktuell ähnlich wie damals unter Daum: Die Eintracht rutschte in den letzten Wochen immer tiefer in den Abstiegsstrudel. Zum Einstand musste Niko Kovac eine 0:3-Niederlage in Mönchengladbach erklären, weshalb er in der vergangenen Woche viel davon sprach, seinen verunsicherten Spielern "Siegermentalität" einimpfen zu wollen. Und auch dazu hatte Christoph Daum schon einmal Erhellendes beigetragen. Siegen, so Daum, könne man ja lernen. Niko Kovac hat in den vergangenen Tagen noch einmal an diesen Satz von Daum erinnert.

Das mit dem Siegenlernen aber geht natürlich am einfachsten: mit Siegen. Nun hat Eintracht Frankfurt zur Heimpremiere von Niko Kovac tatsächlich gewonnen. Für Frankfurt war es erst der zweite Erfolg in der Rückrunde. Aber die Profis der Eintracht sind deshalb nach diesem Sieg gegen den harmlosen Tabellenletzten trotzdem nicht plötzlich zu Siegertypen mutiert.

Die Erleichterung ist groß in Frankfurt, aber als Signal zum Aufbruch im Abstiegskampf taugte der Auftritt gegen Hannover nicht. Die Niedersachsen haben nun zehn Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz und trudeln mit zwei Beinen und einem mit Pleiten belasteten Kopf in Richtung zweite Liga. Nach Frankfurts Sieg liegen zwischen der Eintracht auf Tabellenplatz 17 und Köln auf Rang neun nur sechs Punkte. Bei noch sieben ausstehenden Spielen ist da noch vieles möglich. In Frankfurt aber bleibt Skepsis die vorherrschende Gemütslage.

Vielleicht erfolgte die Trennung von Armin Veh zu spät. Und Zauberkräfte besitzt Kovac nicht. Selbst als ehemaliger Daum-Schüler nicht. Eine kämpferische Mentalität wie sie der Spieler Niko Kovac verkörperte, hat der unverwüstliche Aufsteiger Darmstadt der Eintracht voraus.

Und während sich die Eintracht zu einem Pflichtsieg rumpelte, spielen die Hoffenheimer von Woche zu Woche stabiler und gewinnen Spiele. Für Hoffenheim sprechen im Saisonendspurt der Trend und ihre spielerischen Fähigkeiten. Der Kopf der Spieler, heißt es in Hoffenheim, sei wieder frei. Trainer Julian Nagelsmann brauchte dafür noch nicht mal einen kuriosen Spruch. Nagelsmann hat die Mentalität der Mannschaft erkannt und ihr den dazu passenden Fußball beigebracht. Und wem das auf Dauer gelingt, der steigt nicht ab.

© SZ vom 20.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: