Kommentar:Betrüger und Freunde

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In der Leichtathletik wird der Betrug offensichtlich von allerlei Figuren abgesichert. Für alle, die es ehrlich meinen, ist es höchste Zeit, echte Zeichen zu setzen.

Von Thomas Kistner

Der Dopingmorast um die Leichtathletik ist so gewaltig dimensioniert wie der Korruptionssumpf um den Fußball-Weltverband Fifa. Das ist die Kernerkenntnis. Dass der Pharmamissbrauch in fast allen Berufssportarten längst ein unverzichtbarer Bestandteil ist: geschenkt, weiß heute jeder kundige Beobachter. Es gibt sie eben, all die Substanzen; ihr Effekt auf die Leistung ist enorm, die Analytik hinkt stets hinterher. Das Problem ist real. Und unlösbar.

Inakzeptabel ist, wenn nun wieder die üblichen Einzelsünder gesucht werden und das System so tut, als könne es sich selbst reinigen. Tatsächlich wird dieser Sportbetrug ja von den Figuren geduldet und abgesichert, die sich als Familien bezeichnen. Olympiafamilie, Fußballfamilie - das steht für Funktionäre, die wie Staatschefs durch die Welt jetten, diskrete Geschäfte mit ihren Ehrenämtern verbinden und sich öffentlich als altruistische Stützen der Gesellschaft feiern.

Das sind sie nicht. Man kommt nicht einfach nach oben in so überschaubaren Clans. Hier wäscht eine Hand die andere, man macht Karriere oder Kasse oder beides. Fördergelder, Beraterverträge, Jobs für Söhne, Brüder, Ehepartner: Der autonome Sport hat so viel zu verteilen. Und die Funktionäre dürfen ihre profitablen Geschäfte auch noch ganz allein kontrollieren. Erwartet da im Ernst jemand, dass sie ihre Dukaten-Esel, die Topathleten, des Dopings überführen? Oder dass sie Leuten auf die Finger hauen, von denen sie wiedergewählt werden wollen?

Die Fifa wird vom FBI seziert. Es ist aber so, dass Struktur und Mentalität im ganzen Sport dieselben sind. Der Rad-Weltverband UCI geht mit alten Problempersonal in eine neue, angeblich dopingfreie Ära. Olympiafunktionäre pendeln zwischen Peking und Almaty, verbannt aus der demokratischen Welt. Nun fliegt systemischer Betrug rund um den Leichtathletik-Weltverband IAAF auf - den regiert Lamine Diack, der selbst schon als korrupt sanktioniert wurde. Sein Sohn mischte viele Jahre im Marketing mit. Absurde Verhältnisse, die aber auch Kollegen aus der westlichen Welt gern im Ordner "kulturelle Eigenheit" ablegen.

So sei das halt in einem Weltverband. Ist es so? Vielleicht. Aber dann macht man nicht mit. So wenig, wie wenn ersichtlich korrupte Kollegen die Dopingbekämpfung organisieren. Es ist nichts Respektables an einer Kameradschaftskultur, in der die einen abkassieren und der Rest sich darin gefällt, nicht aktiv mitzuwirken. Ein System wird erst mafiös, wenn auch die dichthalten, die nicht aktiv mitmachen. Insofern hat der Weltsport ein größeres Problem als Doping. Wer mitsegelt in diesem Schwarm nimmersatter Krähen und eitler Pfauen und dabei glaubt, er könne einen Richtungswechsel bewirken, der hat vermutlich nur seine Tabletten nicht genommen.

© SZ vom 03.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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