Kommentar:Bavarian Globetrotters

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In Kürze wird der FC Bayern München zum fünften Mal in Serie Meister werden. Die Münchner spielen längst in ihrer eigenen Liga, der Rest wurde unlängst von Mario Gomez kritisiert ("Gewürge"). Und doch: Keine Macht ist für die Ewigkeit, jedes Gewürge geht zu Ende.

Von Klaus Hoeltzenbein

Es gibt die verschiedensten Ansätze, Fußball zu erleben, der Einfachheit halber sollte man sich auf zwei konzentrieren: auf den Stadiongeher, und auf den Tabellenleser. Beide, hat man den Eindruck, lagen selten so weit auseinander wie heute. Und dies, obwohl sie exakt die selben Dinge betrachten. Nur eben mit anderer Brille.

Der Stadiongeher sucht das Erlebnis, den Tabellenleser treibt die Analyse. Der Tabellenleser, der zu Hause auf dem Sofa sitzt, findet das deutsche Fußball-Geschehen vorhersehbar und damit langweilig, weil in Kürze bereits zum fünften Mal in Serie der FC Bayern Meister wird. Der Stadiongeher hingegen kommt im heraufziehenden Frühling wieder mit glasigen Augen aus der Arena; nicht allerorten, aber auch nicht nur, wenn er Dauerkarten-Kunde in München ist. Fand doch zum Beispiel auch das rheinische Derby, ein Fünf-Tore-Duell der Mittelklasse zwischen Köln und Mönchengladbach, jetzt ein begeistertes Publikum.

Ein Problem der Bundesliga, die sich derzeit in kerniger Selbstkasteiung generell die Qualitätsfrage stellt (Kronzeuge Mario Gomez: "Gewürge!"), ist es, dass sie alles in scharfen Kontrast zur Form des FC Bayern stellt. Den Vergleich kann jeder nur verlieren, die Münchner spielen längst in ihrer eigenen Liga, sie bekommen ihr Zeugnis rund um Ostern gegen Real Madrid ausgestellt.

Staunen über Beinschüsse, Dribblings, Thiago-Schlenzer

Den Tabellenleser ödet ein solches Einbahnstraßen-Szenario an. Der Stadiongeher wiederum konnte den Kombinationsfluss, die One-touch-Aktionen, den Ribéry-Beinschuss, den Robben-Move, den Thiago-Schlenzer oder den Lewandowski-Freistoß live wie ungeschnitten im Zusammenhang bestaunen. Selten hatte man so sehr den Eindruck wie heute, dass Fußball im Stadion und Fußball im Fernsehen bisweilen eben doch ein völlig anderes Spiel ergibt. In etwa so wie bei der Basketball-Showtruppe der Harlem Globetrotters, deren Salti beim Dunking hoch zum Korb man in der Halle erleben sollte - sonst zündet da nicht viel.

Der Tabellenleser, der sich im Fußball wieder nach Wettkampf sehnt, hat nun erneut einen Rückschlag erlitten. Denn auch Hoffenheims viel gelobte Nagelsmänner zahlten beim 1:2 in Hamburg den Preis für ihren 1:0-Sieg gegen eine zweite Elf des FC Bayern. Damit haben sechs der sieben Klubs, die die Münchner zuletzt besiegen konnten, sich dabei derart verausgabt, dass sie das nächste Spiel verloren (nur einem Klub gelang ein Remis). Derweil bügelten die vermeintlich Gedemütigten - gerade so, als wäre nichts geschehen - über den zarten Widerstand der Dortmunder hinweg.

Was tun? Vielleicht sollte der Tabellenleser, so es ihm den Preis wert ist, so er an eine Karte kommt, doch noch mal bei den Bavarian Globetrotters vorbeischauen. Denn eines ist historisch ja belegt: Keine Macht ist für die Ewigkeit gebaut. Jedes Gewürge geht einmal zu Ende.

© SZ vom 10.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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