Kommentar:Aus der Zeit gefallen

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Springt an schlechten Tagen sogar einem kriegsführenden Diktator bei: Bernie Ecclestone, früherer Formel-1-Chef (Archivbild). (Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Bernie Ecclestone, seit 40 Jahren Strippenzieher der Formel 1, versteht sich auf hohe Mathematik. Zehn mal zehn ergibt bei ihm schon mal 8,5 Milliarden Dollar. Für diesen stolzen Preis soll die Rennserie verkauft werden.

Von Filippo Cataldo

Man muss nicht davon ausgehen, aber vielleicht ist es wirklich das letzte große Geschäft, das Bernie Ecclestone da gerade einfädelt. Oder bereits eingefädelt hat. Oder bei dem er zumindest irgendwie seine Finger im Spiel hat. So genau weiß man in der Formel 1 ja nie, was Sache ist. Gewiss ist nur eines: Ohne Ecclestone geht in der Formel 1 nichts, das ist ehernes Gesetz seit mehr als vier Dekaden. Und was für ein Geschäftsabschluss scheint sich da anzubahnen: 8,5 Milliarden Dollar soll der amerikanische Medienkonzern Liberty Media überweisen wollen für einen gewissen Anteil am Vollgaszirkus. Wie viele Anteile wann genau den amerikanischen Investoren gehören sollen, ist noch unklar.

Das könnte auch daran liegen, dass es ganze Heerscharen von Anwälten brauchen wird, um die exakten Besitzverhältnisse der Formel 1 aufzudröseln - es wäre keine Überraschung, wenn selbst Ecclestone den Überblick verloren hätte über die genauen Geschäftsbeziehungen der vielen Holdings, Trusts, Stiftungen der mittlerweile geschiedenen Familie und sonstiger Firmengeflechte mit Sitz auf irgendwelchen Kanalinseln, in Luxemburg und dem Vereinigten Königreich. Aber das nur nebenbei. Denn was für Ecclestone zählt, ist ja nicht der Durchblick, sondern der Profit. Und der scheint auch dieses Mal wieder zu stimmen.

Der bisher letzte Verkauf führte zu einem aufsehenerregenden Prozess

8,5 Milliarden Dollar sind an sich schon ein sagenhafter Preis. Aber wofür? Für ein lautes, gigantomanisches und selbst für die direkt Beteiligten oft schwer zu durchschauendes Unterhaltungsprogramm, das obendrein nicht durchgängig spannend ist; dem weltweit Zuschauer, Sponsoren und Automobilwerke davonlaufen; und in dem Ecclestone die Grenzen des Wachstums in den vergangenen Jahren nur durch Geschäfte mit Autokraten, Oligarchen und anderen Herrschaften aus dem Nahen Osten sowie Russland, Singapur und China verschieben konnte.

Komplett irrwitzig erscheint die kolportierte Kaufsumme, wenn man die 8,5 Milliarden Dollar in Relation setzt zu dem, was vor zehn Jahren das luxemburgische Finanzunternehmen CVC für die Rennserie bezahlt hat. Je nach Sichtweise kassierte die BayernLB im Jahr 2006 eine Summe zwischen 814 und 831 Millionen Dollar von den Luxemburgern für die Anteile an der Formel 1. Ecclestone selbst behielt damals 5,3 Prozent der Anteile, nannte sich fortan Geschäftsführer - und hielt weiter alle Fäden in der Hand.

Es war damals allein deshalb schon ein spektakulärer Abschluss, weil er einen der aufsehenerregendsten deutschen Finanzprozesse zur Folge hatte, der den früheren BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky wegen Korruption und Steuerhinterziehung für mehr als fünf Jahre ins Gefängnis brachte und seinen früheren Geschäftspartner Ecclestone einen nicht minder aufsehenerregenden Prozess in München wegen Bestechung bescherte, der erst gegen die Zahlung von 100 Millionen Dollar eingestellt wurde.

"Professionelles Schamgefühl"

CVC-Mitbegründer Donald MacKenzie offenbarte im Rahmen jenes Prozesses im Jahr 2014 übrigens, dass der Kaufpreis bei ihm zwischenzeitlich ein "professionelles Schamgefühl" ausgelöst habe. Weil er zu hoch gewesen sei. Allerdings soll CVC bisher vier Milliarden Dollar an der Formel 1 verdient haben, wozu Einnahmen aus bereits getätigten Anteilsverkäufen kommen; momentan hält die Beteiligungsgesellschaft noch 35,1 Prozent der Anteile. Nicht die schlechteste Investition also.

Laut auto, motor & sport, das die aktuellen Verkaufspläne enthüllt hat, soll die mittelfristige Zukunft Ecclestones an der Spitze der Formel 1 nach dem Verkauf unklar sein. Vielleicht hat er eingesehen, dass es tatsächlich andere Visionen und andere Menschen braucht, um die Formel 1 zukunftsfähig zu machen. Doch davon sollte man nicht ausgehen. Wer es schafft, den Wert eines aus der Zeit gefallenen Unterhaltungsbetriebs in zehn Jahren um das Zehnfache zu vermehren, mit dem will man doch weiter Geschäfte machen. Oder?

© SZ vom 04.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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