Kommentar:Auch die Oldies haben noch Ideen

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Thomas Schaaf glückt mit Hannover endlich der lang erhoffte Sieg. Der vermeintlich altmodische Trainer überrascht dabei sogar mit einem neuen System.

Von Christof Kneer

Man muss das wirklich mal kritisch anmerken: Die Bundesliga macht es den Experten nicht leicht. Wer sich vom soundsovielten Spieltag zu einer plausiblen Erkenntnis inspirieren lässt, der muss damit rechnen, dass ihn der soundsoviel-plus-erste Spieltag mit der gegenteiligen Erkenntnis überrumpelt. Vor einer Woche ließ sich plausibel die TSG Hoffenheim loben, es setzte warme Worte für den Mut, einen 28-Jährigen zum Cheftrainer ernannt zu haben, der seiner Mannschaft prompt ein jugendlich-munteren Anstrich verpasste. Und wenn man so in die Runde schaute: War das nicht überhaupt der neue, gängige Trend? Überall in der Liga coachten ehemalige Jugend- oder Amateurtrainer, und in Stuttgart und Gladbach hatten es die ehemaligen U23-Trainer Jürgen Kramny und André Schubert sogar geschafft, ihre Null-Punkte-Saisonstarter (erinnert sich noch jemand...?) in sehr wettbewerbsfähige Mannschaften zu verwandeln. Dagegen die Routiniers: Lucien Favre längst weg, Huub Stevens erkrankt zurückgetreten, Armin Veh auf amüsante Weise ratlos und Thomas Schaaf: in Hannover auf weniger amüsante Weise sieg- und punktlos. Die neuen Jungen und die alten Alten: Das ergab doch ein schön klares Bild.

Eine Woche später ist gar nichts mehr klar, außer dass Lucien Favre und Huub Stevens weiterhin keine Bundesligatrainer mehr sind. Thomas Schaaf dagegen: Hat seine ersten drei Punkte mit Hannover geholt, und das bei der Mannschaft, die zuletzt noch vom ehemaligen Amateurtrainer Kramny erfrischt wurde. In der vergangenen Woche hat der 28-jährige Julian Nagelsmann den Abstiegskampf wieder verdichtet, weil er fast schon abgeschlagene Hoffenheimer wieder an die Konkurrenz heranführte. Und nun ist auch das zweite fast schon abgehängte Team wieder in Sichtweite der Rivalen angekommen - mit dem Trainer Thomas Schaaf, der seit 1999 in der Bundesliga coacht. Damals war Julian Nagelsmann elf Jahre alt.

Erst gegen den Altersgenossen, dann gegen die eigene Vergangenheit

Ob Schaaf seine neue Mannschaft tatsächlich noch zu retten vermag, bleibt auch nach dem Auftritt in Stuttgart fraglich, es war trotz des von glücklichem Geschick begünstigten 2:1 erkennbar, dass die Elf nicht sehr viele Feldspieler besitzt, die den Unterschied ausmachen können. Einen aber besitzt sie ganz gewiss, den Japaner Hiroshi Kiyotake, dessen Rückkehr nach langer Verletzungspause das Spiel seiner Mannschaft prompt veränderte. Und eines darf sich der gute, alte Thomas Schaaf schon auch nachsagen lassen: Er, der vermeintliche altmodische Trainer, hat seiner ersatzgeschwächten Elf in Stuttgart ein überraschendes System verpasst, mit vielen Mittelfeldspielern, ohne echten Stürmer. Es wirkte wie ein Zeichen an all die Nagelsmänner: Schaut her, Ihr Burschen, auch wir Oldies haben mal 'ne Idee!

Am Dienstag muss sich der Trainer Schaaf mit dem Wolfsburger Altersgenossen Dieter Hecking messen, und am kommenden Samstag trifft Schaaf dann seine eigene Vergangenheit: Mit seiner neuen Mannschaft spielt er bei Werder Bremen. Bei einem Trainer, der so aussieht wie er selbst. Was das jetzt für die Liga bedeutet, sollen sich die Experten bitte mal ganz schnell überlegen.

© SZ vom 28.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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