Kolumne: Kim-Ja Scho:Schnupfenspray vom Busfahrer

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(Foto: N/A)

Der Südkoreaner ist sanftmütig und nett, durchaus wachsam, aber niemals aufdringlich? Natürlich stimmt das nicht.

Von Volker Kreisl

Wer in ein fernes Land reist, hat sich mit den Benimmregeln dort vertraut zu machen. Für das Land der Winterspiele findet sich eine ganze Reihe im Internet. Südkoreaner zum Beispiel schauen sich beim Zuprosten nicht in die Augen. Südkoreaner schnäuzen sich nicht laut; Südkoreaner halten höflich Distanz; Südkoreaner deuten nicht mit dem ausgestreckten Zeigefinger; Südkoreaner sagen niemals direkt nein, weil das unhöflich ist; Südkoreaner lächeln stumm, statt laut zu lachen.

Die Menschen hier sind alle überaus freundlich, bei welcher Gelegenheit auch immer. Beim täglichen Gepäck-Check vor dem Eintreten ins Pressezelt, an der Nudeltheke, am Busbahnhof. Gespräche ergeben sich leider kaum, oft sind es nur Sekundenbruchteil-Blicke und Kurz-Dialoge in Koreanisch-Englisch und Deutsch-Englisch, in denen der eine nur Silben vom anderen versteht, also gar nichts, beide aber trotzdem beglückt weiterziehen. Der Südkoreaner ist also immer sanftmütig und nett, durchaus wachsam, aber niemals aufdringlich.

So schafft man sich sein festes Bild vom anderen, was aber so niemals stimmt. Eines nachts hielt der 1:30-Uhr-Shuttle endlich am Ski-nordisch-Zentrum, da stieg man warmen Herzens ein. Der Busfahrer aber sah einen tiefgekühlten Reporter, stellte sich vor ihm auf, zog ein Fläschchen aus der Hosentasche und hielt es ihm vor die Augen: Schnupfenspray. Der Reporter schaute fragend, der Busfahrer simulierte bei sich zwei kräftige Nasenschübe und bot das Fläschchen an. Der Reporter wich zurück. Dann hob der Busfahrer den Zeigefinger, rief etwas in das Handy seines Assistenten, das Handy übersetzte: "Medicine for your nose".

Der Reporter dachte einerseits an das gerade grassierende Noro-Virus, andererseits an koreanische Benimmregeln. Er gestikulierte, dass er vielleicht so aussehe, aber bitteschön nicht krank sei, und als der Busfahrer näherkam, entfuhr ihm irgendwann: "No!" - Im Bus wurde es still.

Aber der Fahrer war nicht beleidigt. Steckte sein Spray in die Tasche und lächelte. Fragte nach der Herkunft, und es entwickelte sich mit Hilfe des Handy-Übersetzers ein echtes Gespräch über den Medaillenspiegel und sonstige Dinge, ohne dass beide versäumten, dabei lauthals zu lachen.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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