Knut Kircher:"Wie bei der Feuerwehr"

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Auch in Zeiten ohne Videobeweis musste Knut Kircher debattieren. (Foto: imago)

Der ehemalige Schiedsrichter Knut Kircher verteidigt den Videobeweis. Der verspätete Entscheid in Mainz zähle zur Phase, die dazu dient, die "Abläufe zu optimieren".

Interview von Matthias Schmid

Beim Bundesligaduell am Montag zwischen Mainz 05 und Freiburg (2:0) sorgte erneut der Videobeweis für Aufregung: Erstmals wurde nach Ansicht der Bilder ein Handelfmeter verhängt, als bereits zur Pause gepfiffen war - und die Freiburger schon in der Kabine waren. Der frühere Bundesliga-Schiedsrichter Knut Kircher, 49, nimmt dazu Stellung.

SZ: Können Sie nach dem Vorfall in Mainz die Debatten über Sinn und Unsinn des Videobeweises nachvollziehen?

Knut Kircher: Welchen Anspruch hat die Öffentlichkeit? Welches Szenario wünscht sich der ganz normale Fan? Den Videobeweis abzuschaffen, ist für mich keine Option. Aber was soll er dann erfüllen?

Er soll Fußball gerechter machen, aber den Lieblingsklub nicht benachteiligen.

Ja, das liegt natürlich im Auge des Betrachters. In Mainz hat der Videobeweis für Gerechtigkeit auf Seiten beider Mannschaften gesorgt, denn die Regel ist eben so. Aber er beschert zugleich große Emotionen. Die Freiburger waren bereits in der Kabine und fragten sich, warum sie wieder raus mussten, weil sie keine TV-Bilder hatten, die das Handspiel zeigten.

Hätten Schiedsrichter Winkmann und Videoassistentin Steinhaus schneller zu einer Entscheidung kommen müssen?

Es geht immer schneller. Aber hatten wir bis zum 30. Spieltag schon so einen Fall?

Nein.

Auch die Schiedsrichter lernen jeden Spieltag dazu. Wir sind noch in einer Pilotphase und wir reden von der Erwartungshaltung, dass alles schneller gehen muss. Wir erleben viele Situationen zum ersten Mal - wie in Mainz, wo ein Sachverhalt nach dem Pausenpfiff entdeckt wurde.

Aber hätte der Schiedsrichter, nachdem er das Signal aus Köln bekommen hat, die Spieler nicht aufhalten sollen?

Natürlich, hat er gemacht, in den Augen der Öffentlichkeit aber nicht schnell genug.

Es geht jetzt darum, aus diesem Fall neue Erkenntnisse zu ziehen. Es ist wie bei der Feuerwehr, die regelmäßig Einsätze übt - aber plötzlich zu einem Brand kommt, der sie vor ganz neue Herausforderungen stellt. Es geht beim Videobeweis auch viel um Routine und Erfahrungen, die man sammelt, um die Abläufe beim nächsten Mal zu optimieren.

Würde es helfen, wenn man die Szene im Stadion auf der Leinwand sehen könnte? Das wäre für den Fan in der Arena sicher sinnvoll, um mehr Transparenz zu erreichen - aber nur bei Szenen, die ganz klar in schwarz oder weiß zu unterscheiden sind. Und es gibt noch andere Ideen: Beim Basketball zum Beispiel gibt es keine Bilder, aber die Entscheidung wird vom Hallensprecher kommuniziert.

Wäre es auch eine Idee, sich ein Zeitlimit für eine Entscheidung zu setzen, vielleicht 60 Sekunden?

Ich weiß nicht, ob eine Zeitspanne sinnvoll ist zur Feststellung einer klaren Fehlentscheidung. Manchmal geht es schneller, manchmal nicht. Nehmen Sie doch mal zu Hause auf der Couch die Stoppuhr und schauen, wie viel Zeit von der ersten realen Wahrnehmung bis zur dritten Zeitlupe vergeht. Machen Sie den Spaß mal, das kann eineinhalb Minuten dauern.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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