Kiel gewinnt Handball-Pokal:Sieg im Schweinespiel

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Zum vierten Mal in seiner Vereinsgeschichte wird der THW Kiel deutscher Pokalsieger. Fast hätte die Mannschaft den Sieg verspielt - doch dann kam Nikola Karabatic.

Jörg Marwedel

Als die Uhr in der Hamburger Arena am Sonntagnachmittag auf 60:00 sprang und die Schlusssirene ertönte, warf Nikola Karabatic den Ball steil in die Luft. Dann wuchtete er sich auf die umstehenden Mitspieler vom THW Kiel, mit denen er gerade durch ein 33:31 (15:19) gegen die SG Kronau/Östringen den deutschen Handball-Pokal gewonnen hatte. Karabatic hat viel Kraft im Arm, und so dauerte es eine Weile, bis der Ball, den er in die Luft geworfen hatte, wieder auf den Boden fiel - und wundersamerweise fiel er auf eine Stelle des Parketts, auf der kein jubelnder Kieler und kein trauernder Kronauer stand.

Die Kieler Mannschaft, ausgelassen nach der Aufholjagd. (Foto: Foto: dpa)

Für die Spielgemeinschaft aus dem Badischen war es eine bittere Niederlage. Bis zu sechs Tore betrug ihr Vorsprung auf den Favoriten aus Kiel, erst nach 43:20 Minuten kamen die Norddeutschen erstmals zum Ausgleich (23:23). Und dann ging alles ganz schnell: Innerhalb von zwei Minuten erzielten die Kieler drei Tore, sie gingen 26:23 in Führung und gaben diesen Vorsprung bis zum Ende nicht mehr her. ,,Wir haben heute ein Schweinespiel gewonnen'', sagte Karabatic. Das war als Lob an die Kronauer zu verstehen, denn was er meinte, war, dass er ein hart erkämpfter Sieg war.

Schon am Samstag in den beiden Halbfinalspielen war es hoch her gegangen. Im Duell zwischen dem THW Kiel und dem schleswig-holsteinischen Rivalen SG Flensburg-Handewitt (34:33) gaben beide Teams bereits einen Vorgeschmack, mit wie viel Verve sie am 22. und 29. April in den Endspielen um die Champions League gegeneinander antreten werden.

Manche Experten hatten damit gerechnet, beide Mannschaften würden in diesem Spiel nicht alles geben, um sich für den ganz großen Auftritt zu schonen. Doch schon bald entpuppte sich die Vorhersage als falsch. Mehrmals gerieten die Spieler heftig aneinander, in der 39. Minute sah der Kieler Russe Andrej Tschepkin nach einem Foul an Joachim Boldsen sogar Rot.

Und als die in der ersten Halbzeit vom THW schwindlig gespielten Flensburger ihren Rückstand von sieben Toren aufgeholt hatten, obwohl Nikola Karabatic mit 13 Toren der überragende Werfer war, wollten sie sich auch nach der Schlusssirene noch nicht geschlagen geben. Sie reichten Protest ein, weil ihrer Meinung nach das 28:27 des THW zu unrecht gegeben worden war, weil der überragende SG-Torwart Dan Beutler den Ball wohl vor der Linie abgefangen hatte. Zwei Stunden später teilte Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, mit: ,,Wir haben den Protest abgelehnt, weil es eine Tatsachenentscheidung der Schiedsrichter war.''

Die Klage der Flensburger hatte Kiels Manager Uwe Schwenker ziemlich aufgebracht. ,,Dann hätten wir auch Protest dagegen einlegen können, dass der SG-Spieler Vranjes bei einem Tor zuvor vier Schritte gemacht hatte'', grummelte er, so einen lächerlichen Einspruch habe es noch nie gegeben. Und als der Flensburger Trainer Kent-Harry Andersson darauf verwies, man habe ,,nun einen Tag mehr, um sich auf das erste Champions-League-Spiel vorzubereiten und Kiel einen Tag weniger'', giftete Schwenker: ,,Das macht uns doch nichts aus.''

Im anderen Halbfinale gab es dagegen eine echte Überraschung. Der Titelverteidiger HSV Hamburg, der auch von den Nordrivalen zum Favoriten gemacht worden war, unterlag dem Vorjahrsfinalisten SG Kronau-Östringen 28:29. Und dabei kam es am Schluss zu einer kuriosen Umkehrung. War im Vorjahr Mariusz Jurasik mit seinem letzten Wurf am HSV-Keeper Goran Stojanovic gescheitert, verwandelte er diesmal seinen letzten Wurf. Der Hamburger Roman Pungartnik dagegen, damals der Matchwinner beim 26:25, vergab seine letzten Chance. Sonst hätte es Verlängerung gegeben.

Der HSV, der seit Oktober in der Bundesliga kein Spiel mehr verloren hatte, kam nie richtig in Schwung. Kyung-Shin Yoon und Pascal Hens kamen gegen die unbequeme Kronau-Abwehr nicht ins Spiel, und auch Torsten Jansen hatte ungewohnt viele Fehlwürfe. HSV-Coach Martin Schwalb fand, man habe ,,so'n richtigen Teufelsbrei zusammen gemischt'', tröstete sich aber zumindest öffentlich damit, die Niederlage ,,werfe uns nicht um'' und es sei vielleicht ,,ein Dämpfer zur richtigen Zeit''.

Immerhin kann der HSV noch immer den Europapokal der Pokalsieger und die deutsche Meisterschaft gewinnen. Wenn es allerdings mit allen drei Titel nicht klappt, dann sind die Hamburger, wie Bertrand Gille ahnt, ,,die Dummen''.

Drei Titel sind nun weiterhin das Ziel der Kieler. ,,Wir wollen jetzt alles gewinnen'', beschied Nikola Karabatic, und er wirkte dabei nicht, als habe er etwas Dummes gesagt.

© SZ vom 16.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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