Kerber die letzte Deutsche:Lehrstunde am Sonntag

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Den Hauptplatz, auf dem sie gegen Serena Williams antreten durfte, fand Annika Beck "sehr beeindruckend". Gegen die Weltranglistenerste hatte die 22-Jährige dann keine Chance. (Foto: Alastair Grant/AP)

Nach 51 Minuten gegen die Weltranglistenerste Serena Williams weiß Annika Beck, 22: Der Abstand zur Weltspitze der Frauen ist noch groß.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Die gepflegte Dame mit dem Blumenmuster auf dem Kleid war ungeduldig, als sie von einem Steward gebeten wurde, ihr Ticket am Gate zu zeigen. "Ich bin doch nur kurz aus dem Stadion gegangen", sagte sie mit dem Tonfall leichter Indigniertheit, aber der Steward lächelte und erwiderte mit dem Tonfall herzlicher Deutlichkeit: "Verzeihen Sie, ich habe leider ein Gedächtnis wie ein Goldfisch."

Die Art, wie die vielen Helfer immer wieder mit den Besuchern in Wimbledon umgehen, ist erstaunlich, auch am Sonntag wurde der Kurs der freundlichen Bestimmtheit nicht geändert. 22 000 Karten wurden für den siebten Turniertag verkauft, 22 000 mehr, als es geplant war. Am Middle Sunday, dem mittleren Sonntag, wird sonst nie gespielt, um die Rasenplätze zu schonen. Da aber der Zeitplan nach unzähligen Regenunterbrechungen im Verzug geraten war, setzte der All England Club nach 1991, 1997 und 2004 zum vierten Mal die Pause aus. Am Samstag um 15 Uhr waren die Tickets in den Online-Verkauf gegangen, 27 Minuten später waren sie weg zu Preisen von 20 (Ground), 40 (No. 1 Court) und 70 Pfund (Centre Court). Da an normalen Tagen 40 000 Zuschauer auf die Anlage im Süden Londons dürfen, wirkte sie tatsächlich spürbar leerer.

"It was nice", es war nett, so umschrieb Serena Williams ihr erstmaliges Sonntags-Erlebnis in Wimbledon; 2004 war die inzwischen 21-malige Grand-Slam-Gewinnerin zwar auch Teilnehmerin, kam aber nicht am Middle Sunday zum Einsatz. Williams traf nun in ihrem Drittrundenmatch auf Annika Beck, die 22-Jährige, die nach einer Lendenwirbelverletzung "ohne Erwartungen" zwei Runden überstanden hatte. Die Fed-Cup-Spielerin aus Bonn hatte noch nie auf dem Centre Court gespielt und sich zuvor eine Zugangskarte besorgt, um sich die Arena mal von innen anzuschauen. "Sehr beeindruckend" empfand Beck den Hauptplatz nach der Inspektion, die insofern eine gute Maßnahme gewesen war, weil sie am Sonntag nicht mehr völlig überwältigt von den Eindrücken ins Match startete. Beck fand rasch in ihr sicheres Grundlinienspiel und schaffte es, Williams den Aufschlag zum 2:1 abzunehmen. Letztlich aber war die Titelverteidigerin in zu vielen Bereichen zu gut, Williams spielte härter, platzierter, schlug präziser auf und siegte 6:3, 6:0 in 51 Minuten. "Das war eine Lehrstunde, die mir gezeigt hat, wo das Limit im Damentennis ist", sagte Beck.

Nur Angelique Kerber ist damit als deutsche Vertreterin noch im Feld. Die Australian-Open-Siegerin setzte sich am Samstag gegen die Hamburgerin Carina Witthöft 7:6 (11), 6:1 durch. Sabine Lisicki scheiterte an der Kasachin Jaroslawa Schwedowa mit 6:7 (2), 1:6. Die Japanerin Misaki Doi, die auf Kerber trifft, besiegte Anna-Lena Friedsam 7:6 (1), 6:3. Bei den Männern schied auch Alexander Zverev aus Hamburg aus, der 19-Jährige unterlag dem Tschechen Tomas Berdych bei seiner Premiere auf dem Centre Court 3:6, 4:6, 6:4, 1:6.

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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