Kampf dem Doping:Die Fahnder spannen ihre Netze

Lesezeit: 3 min

Die jüngsten Doping-Razzien in den USA zeigen: Ohne staatliche Hilfe ist der Sport machtlos.

Michael Gernandt

Die jüngsten zeitgleich in vier Bundesstaaten arrangierten Doping-Razzien der US-Behörden in Apotheken und als Wellness-Kliniken getarnten Büros mit tonnenweise konfiszierten illegalem Material und diversen Verhaftungen (SZ vom 8.3.) stellt eine neue Qualität im Kampf gegen die Seuche dar.

Illegale Dopingmittel: Kunden der Apotheken und Internetversandhändler sind namhafte Profis aus den amerikanischen Profibaseball-, Football- und Basketballligen sowie Boxer und Ringer. Doch die Fahnder sind ihnen auf der Spur. (Foto: Foto: iStock)

Als die Agenten abgezogen waren, rieb sich deshalb der die Durchsuchungen koordinierende Distriktanwalt David Soares aus Albany (New York) die Hände. ,,Wir sind dabei, Teil eines historischen Moments zu werden'', formulierte er mit amerikanischem Pathos.

Die USA gehen dem Doping-Problem jetzt an die Wurzel. Während Deutsche im Rahmen ihrer enervierenden Diskussion um ein Anti-Doping-Gesetz von der Jagd auf die Hintermänner vorläufig nur fabulieren, legen US-Behörden den Mitgliedern der Betrugskartelle bereits Handschellen an.

Die Netzwerke der Vertreiber von Doping-Mitteln übersahen schlichtweg, dass auch die Gesetzeshüter sich quer durch die USA vernetzten und damit ihre Schlagkraft erhöhten.

An der Aktion von Ende Februar nahmen elf Dienststellen aus nationalen, regionalen und lokalen Bereichen der Verbrechensbekämpfung teil. In Orlando, Palm Beach (beide Florida) und Mobile (Alabama) zerstörten sie einen landesweit operierenden Dealer-Ring, der Doping-Mittel via Internet verkauft. Bis zu 40 Millionen Dollar Umsatz verbuchen Apotheken wie Signature Pharmacy in Orlando. Bevorzugt im Online-Angebot: das noch nicht offiziell nachweisbare Wachstumshormon HGH. Kunden sind, wie gemeldet, namhafte Profis und Teamärzte aus den Ligen MLB (Baseball) und NFL (Football) sowie Boxer und Ringer.

Keine Hilfe von Barry Bonds

Dass die Amerikaner Doping nicht länger nur als Kavaliersdelikt einstufen, hat eine Ursache: den Fall Balco. Die 2003 nur zufällig aufgedeckte Affäre um die nordkalifornische Firma für Nahrungsergänzungsmittel, die seit 1999/2000 ungestört illegale und nicht nachweisbare Mittel vertreiben und Dutzende prominente Leichtathleten, Base- und Footballspieler dopen konnte, hatte die amerikanische Öffentlichkeit schockiert.

Aufgescheucht von den Medien nahm sich die Politik der Sache an. Präsident Bush, der heutige republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain und Mitglieder eines Untersuchungsausschusses im Kongress setzten den Sport unter Druck und - als die Erkenntnis gereift war, dass die Sportorganisationen das Drogenproblem nicht würden lösen können - die Justizbehörden in Marsch. Noch 2004 begann man mit der Planung von Razzien wie sie am 27. Februar stattfanden.

Keinen Erfolg mit seiner Anti-Doping-Initiative hatte bisher nur einer: George Mitchell, ehemaliger Mehrheitssprecher im US-Senat. Seiner brieflich bei Baseballprofis vorgetragenen Bitte um aufklärende Zusammenarbeit versagte sich der Prominenteste der Schlägergilde: Der in die Balco-Affäre verstrickte Barry Bonds von den San Francisco Giants ließ per Anwalt mitteilen, solange gegen ihn wegen Meineids ermittelt werde, könne es von ihm kein Entgegenkommen geben. Bonds sieht die Chance schwinden, in dieser Saison den drei Jahrzehnte alten Homerun-Rekord von Hank Aaron (755) zu brechen; 21 Treffer fehlen ihm dazu noch.

"Es ist eine Revolution"

Begrüßt hat die frischen Erfolge der staatlichen Dopingjäger indes der Biochemiker Don Catlin, 68, der seit einem Vierteljahrhundert in seinem Labor in Los Angeles Urin- und Blutproben analysiert und 2003 die Designer-Droge THG aus dem Hause Balco entschlüsselte. In einem Gespräch mit der Washington Post sagte er: ,,Sportgremien haben keine Kraft, irgendetwas herauszufinden, aber die Regierung.''

Catlin mag gar nicht daran denken, ,,was uns in den 23 Jahren vor Balco möglich war und was für die Regierung, nachdem sie sich entschloss, dem Problem Herr zu werden. Es ist eine Revolution''. David Howman, Generaldirektor der Weltantidoping-Agentur Wada, ergänzte: ,,Die meisten großen Dinger kamen mit Hilfe der Regierungsstellen zustande. Urin- und Blutproben einzusammeln, das allein kann es nicht sein.'' Im Klartext: Mit der Kontrolle der Athleten war kein entscheidender Durchbruch zu erzielen.

Eine weitere Lehre aus Balco ist die Notwendigkeit der Einbindung der Antidopingagentur USADA. Kalifornische Balco-Ermittler brachten USADA mit der Drug Enforcement Agency (DEA) zusammen. DEA sicherte sich das Spezialwissen der unabhängigen, jedoch zu 60 Prozent von Washington finanzierten Agentur (Jahresbudget: 12 Millionen Dollar, Etat der deutschen Nada: 1,3 Millionen Euro). Im Gegenzug erhofft sich USADA durch die Razzien Hinweise auf Olympiasportler (für Spieler aus den Profiligen ist die Agentur nicht zuständig), muss sie doch befürchten, dass sich die Dopingkartelle im Hinblick auf Olympia 2008 neue Schweinereien ausdenken.

© SZ vom 10.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: