Jugendwahn in der Formel 1:Die aggressive Generation

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,,Das Risiko, dass mich Fernando zerstört, muss ich eingehen'': Lewis Hamilton, Heikki Kovalainen und Robert Kubica erleben die Gefahren der Freiheit.

Elmar Brümmer

Es klingt so schön plakativ: Die Königsklasse sucht einen neuen König. Aber das ist eine ziemlich überholte Vorstellung. In der Formel 1 wird selbst die Generation Zukunft schnell und gerne überholt. Fernando Alonso, Kimi Räikkönen und Felipe Massa sind zwar alle noch nicht einmal 28 Jahre alt, aber schon feste Größen. Neben ihnen geht es für viele um die Rolle des Prinzen - weit über diese Saison hinaus. Selten ist den jungen Fahrern mehr zugetraut worden. Das gilt insbesondere für die Debütanten Heikki Kovalainen, 25, im Renault und Lewis Hamilton, 22, im McLaren-Mercedes, aber auch für BMW-Pilot Robert Kubica, 22. Die Generationenfrage mit einem Ausscheidungsfahren zu lösen, klingt reizvoll. Aggressionspotenzial ist reichlich vorhanden.

Neue Generation (von links): Heikki Kovalainen, Lewis Hamilton und Robert Kubica. (Foto: Foto: dpa)

Kovalainen, Hamilton und Kubica gehen so zielstrebig zu Werke, dass es manchmal beinahe unheimlich wirkt. ,,Gezüchtete Champions'' nennt der Spiegel sie - eine These, die sich mit Zahlen belegen lässt: Kovalainen hat 2006 mehr Test-Kilometer abgespult als alle anderen Grand-Prix-Fahrer. Hamilton, der erste Formel-1-Pilot mit dunkler Haut, wird gar seit gut einem Jahrzehnt von McLaren-Chef Ron Dennis persönlich auf Großtaten vorbereitet. Eine Garantie gegen teure Missgeschicke aber ist das alles nicht. Hamilton und Kovalainen verschrotteten beide bei den Wintertests einen Rennwagen. ,,Am Anfang fährt das Auto mehr mit einem als man mit ihm fährt'', befand Hamilton und fügte dann noch tapfer an: ,,Ich war ja immer bei Bewusstsein.''

Die junge Garde gilt in allem als extrem anpassungsfähig, gerade, was das Risiko angeht. BMW-Entdeckung Robert Kubica, der im Vorjahr im dritten seiner bisher sechs Rennen bereits aufs Podium fuhr, gilt als Vorbild für eine rasende Entwicklung. ,,Halb Mönch, halb Auftragsmörder'' schreibt das britische Branchenblatt autosport über den Polen. In einer sich verjüngenden Formel 1 zeigen auch die großen Teams neuen Mut, aber selbst die größten Talente sind im ersten Jahr ungewisse Größen. Hamilton und Kovalainen stehen dazu noch unter einem besonderen Druck: Der eine fährt bei McLaren neben Weltmeister Fernando Alonso, der andere folgt Alonso, dem derzeit wohl komplettesten Fahrer, bei Renault. ,,Das Risiko, dass mich Fernando zerstört, muss ich eingehen'', sagt Hamilton, ,,aber ich kann auch mehr lernen als jeder andere im Feld.'' Und Kovalainen glaubt: ,,Einerseits bin ich mir bewusst, etwas Besonderes erreicht zu haben. Ich weiß aber auch, dass ich im Grunde noch gar nichts erreicht habe. Für mich beginnt ein neues Abenteuer.''

Die Neulinge müssen es hinbekommen, sich selbst und gleichzeitig das Auto unter Kontrolle zu halten. Ansonsten haben sie schnell ein Etikett weg. Giancarlo Fisichella trägt mit mittlerweile 34 Jahren immer noch den Titel ,,Talent''. Allerdings mit dem wenig schmeichelhaften Zusatz ,,ewiges''. Zum Antrieb wurde ihm jetzt Kovalainen vor die Nase gesetzt. Aber das Renault-Management wiegt auch den Finnen nicht in Sicherheit und positioniert den Testfahrer Nelson Piquet junior, 21, als nächste Herausforderung. BMW verfolgt mit dem 19 Jahre alten Sebastian Vettel die gleiche Taktik. Die Rennstallbesitzer wollen immer früher wissen, wer ein Kandidat für die Zukunft ist. Der Altersschnitt sinkt beständig, im Vergleich zum Vorjahr ist der aktuelle Jahrgang um acht Monate jünger.

Die Formel 1 verheißt Träume, aber sie gewährt für gewöhnlich nicht allzu viele Chancen. Der 21 Jahre alte Nico Rosberg, der im Vorjahr nach starkem Start und vier Punkten mit dem Williams im Mittelfeld fuhr, weiß um das Umstellungsproblem derer, die in den Nachwuchsserien alles gewonnen haben: ,,Schnell fahren ist für keinen ein Problem. Aber man muss sich erstmal daran gewöhnen, dass man geschlagen wird. Dann kommt es auf das Selbstvertrauen an.'' Da mag es beruhigend wirken, dass ihn die Leserinnen von Bild der Frau gerade zum ,,Traummann'' gewählt haben. Für den Sohn des Weltmeisters von 1982 beginnt in Melbourne der schwierige Part, Teil zwei seines Talent-Seins - die eigentliche Emanzipation.

Es ist eine riskante Freiheit, in welche die Nachwuchspiloten am Ende der Boxengasse geschickt werden. Das Establishment wehrt sich. Nick Heidfeld, 29, zum Beispiel. Er ist der Prototyp für diejenigen, die sich übergangen fühlen, weshalb er nun Kubica den Kampf angesagt hat. Erfahrung gegen Ungestüm - für Heidfeld ist das ein bekanntes Spiel. ,,Wenn man einen jüngeren Teamkollegen hat, erwarten alle, dass man schneller ist. Ist man es nicht, halten einen die Leute für schlecht'', sagt er, ,,aber wenn ich in all den Jahren nicht immer besser als mein direkter Gegner gewesen wäre, wäre ich kaum noch dabei.''

Die Jugend allein ist nicht das Entscheidende. Dass alle Prognosen und Vorsätze bisweilen über den Haufen geworfen werden, zeigt das Beispiel des Teams Red Bull. Der Rennstall, der die aufwändigste Nachwuchsförderung betreibt und ein Image pflegt, das junge Menschen ansprechen soll, schickt 2007 das älteste Fahrerpaar an den Start: den Australier Mark Webber und den Schotten David Coulthard. Zusammen erreichen die beiden das bisherige Rentenalter: 30+35=65.

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