Jüngster Fahrer der Formel 1:Hybris eines Hochbegabten

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Aktuell noch bei Toro Rosso, in Zukunft möglicherweise in einem Top-Team: Max Verstappen ist der jüngste Fahrer der Formel 1 - und eine ihrer größten Hoffnungen. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Max Verstappen verursachte beim Saison-Auftakt eine Kollision mit seinem Kollegen. In Bahrain spielt er es herunter.

Von René Hofmann, Sakhir/München

Ausweichmanöver beherrscht Max Verstappen. Welche Lektionen er beim Saisonauftakt vor zwei Wochen in Melbourne gelernt habe, wurde der Toro-Rosso-Fahrer vor dem Großen Preis von Bahrain an diesem Sonntag (17 Uhr) gefragt. Das war eine gut versteckte Spitze, von der Verstappen sich aber nicht piksen ließ. "Erst einmal hatten wir eine tolle Qualifikation, damit konnten wir wirklich sehr zufrieden sein", hob der 18-Jährige, der in Australien als Fünfter an die Startampel gedurft hatte, im Stil eines echten Routiniers an. Leider habe sich das Rennen dann aber nicht ähnlich toll entwickelt. "Ja, wir haben anschließend viel analysiert", räumte Verstappen ein, bevor er versöhnlich schloss: "Hoffentlich sind wir jetzt noch stärker." Kein Wort, keine Silbe entfuhr ihm zu seiner Entgleisung, nichts, was hätte ahnen lassen, dass der jüngste Fahrer im Feld richtig viel Mist gebaut hatte.

"Das ist ein verdammter Witz!", hatte Verstappen in sein Funkgerät gebrüllt, als sein hinter ihm platzierter Teamkollege Carlos Sainz junior vor ihm zu einem Boxenstopp einbestellt worden war. Weil er fürchtete, dadurch einen Nachteil zu erleiden, steuerte Verstappen seinen Rennwagen im Umlauf darauf auch an die Box - ohne dass das Team davon etwas ahnte. Es dauerte sieben Sekunden, bis die überraschten Mechaniker vier Reifen zusammengesammelt hatten. Sieben Sekunden sind in der Formel 1 verdammt viel Zeit. Auf eigene Faust einfach mal in der Boxengasse vorbeizuschauen, ist ein ziemlich verwegener Plan. Für einen Teenager, der gerade einmal sein 20. Formel-1-Rennen bestreitet, grenzt es an Hybris.

Die Show gipfelte in einer Kollision mit dem Teamkollegen

Damit aber war die irre Verstappen-Show noch nicht vorbei. Zurück auf der Strecke beschimpfte der Junge sein Team weiter ausgiebig, weil dieses sich weigerte, Sainz zur Seite zu winken. Verstappens Furor gipfelte schließlich in einer Kollision mit dem Teamkollegen, nach der die beiden nur mit einigem Glück unbeschadet weiterfahren konnten.

Sainz wurde schließlich Neunter, Verstappen Zehnter, was drei WM-Punkte brachte. Für Toro Rosso ist das nicht schlecht. Gemessen aber daran, was möglich gewesen wäre, war es enttäuschend. Hätte Verstappen die Nerven behalten, wäre er wahrscheinlich Sechster geworden. Damit hätte er Toro Rosso alleine sechs Punkte beschert. So schnell wie möglich viele Zähler einzufahren, ist für den Rennstall wichtig. Er setzt Ferrari-Motoren von 2015 ein. Im Laufe des Jahres, wenn die aktuellen Aggregate weiterentwickelt werden, dürfte er abgehängt werden.

Die Teamleitung gab sich nach dem Auftakt alle Mühe, den Eklat herunterzuspielen. Beide Fahrer seien eben jung, hochmotiviert und schenkten nicht einen Millimeter her, deshalb beschäftige man sie ja, ließ Teamchef Franz Tost wissen. In der internen Nachbesprechung aber dürfte der Tonfall nicht so versöhnlich gewesen sein. Tost, 60, gilt als einer, der austeilen kann. Der Amerikaner Scott Speed, der vor zehn Jahren für Toro Rosso Formel 1 fahren durfte, bis er mit seinem teuren Rennwagen beim Großen Preis von Europa im Regen ungeschickt von der Strecke rutschte, berichtete nach der Trennung gar von Tätlichkeiten.

Plötzlich steht Sainz als der Besonnene da

Tost führt die Talentschmiede, als die Toro Rosso Red Bull dient und aus der Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo hervorgegangen sind, konsequent. Wer dort länger als zwei Jahre blieb, für den fand sich in der Formel 1 meist kein Cockpit in einem Top-Team mehr. Verstappen und Sainz, die beide im vergangenen Jahr bei Toro Rosso einstiegen, wissen das. Der Druck dürfte dazu führen, dass die Spannungen zwischen ihnen tendenziell eher noch zunehmen werden.

Bisher hatte im Wettrennen um die weiteren Karriere-Chancen Max Verstappen, der Sohn des einstigen Formel-1-Fahrers Jos Verstappen, die Nase vorn. Nach seinem Debütjahr in der Formel 1 war er mit Trophäen überhäuft worden. Der Automobilweltverband ließ ihm die Auszeichnungen "Neuling des Jahres" und "Persönlichkeit des Jahres" zukommen und ehrte ihn für das "Überholmanöver des Jahres".

Verstappen junior gilt als künftiger Kandidat für Red Bull, Mercedes und Ferrari. Mehr geht fast nicht mehr. Mit seiner demonstrativen Ungeduld in Melbourne hat er sich nun aber keinen Gefallen getan. Plötzlich steht sein drei Jahre älterer Teamkollege als der Besonnene und Nervenstarke da. Und Ausweichmanöver beherrscht Carlos Sainz junior, der Sohn des zweimaligen Rallye-Weltmeisters Carlos Sainz, auch. Vor dem Rennen in Bahrain ließ er wissen: Aus seiner Sicht gebe es nichts, was Verstappen und er klären müssten.

© SZ vom 03.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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