Schäfer-Gümbel über Wortbruch:"Dann wäre keiner mehr da"

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Andrea Ypsilanti war Spitzenkandidatin der Hessen-SPD. Sie musste ihre Ambitionen aufgeben, weil sie nach der Hessen-Wahl ihr Wort brach. Das tun die meisten Politiker, meint ihr Nachfolger Schäfer-Gümbel.

Wenn alle Politiker zurücktreten müßten, die nach der Wahl einen Wortbruch begehen, dann würde auf der politischen Bühne Leere herrschen. Das prophezeit Thorsten Schäfer-Gümbel, Spitzenkandidat der hessischen SPD für die Landtagswahl im Januar. "Dann wäre wahrscheinlich fast keiner mehr da", sagte Schäfer Gümbel in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung.

Bloggt jetzt auch im Internet: Der hessische SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel. (Foto: Foto: dpa)

Zugleich erneuerte der Politiker die Bereitschaft seiner Partei zu einer großen Koalition in Hessen, aber dann ohne Noch-Regierungschef Roland Koch (CDU). "Koch bleibt nur Ministerpräsident, wenn er eine schwarz-gelbe Mehrheit zustande bekommt", sagte er. Irrationales und Rationales treffe da zusammen, das sei auch ein Teil des Problems, so Schäfer-Gümbel. "Die Partei wünscht sich vorher etwas Bestimmtes. Ob man das so hinbekommt, hängt vom Wahlergebnis und auch von den dann denkbaren Konstellationen ab."

Nicht einmal bei einer absoluten Mehrheit solle eine Partei den Eindruck erwecken, sie könne alles so regeln, wie vorher geplant. Politik sei eben die Kunst des handlungsorientierten Kompromisses.

Der SPD-Spitzenkandidat beklagte, dass über seine Partei nach den zurückliegenden Monaten mittlerweile, ohne gründliche Recherche, "jeder Unfug geschrieben" werden könne. Dabei verwies Schäfer-Gümbel auf Behauptungen, bei der geplanten, aber missglückten Wahl von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin hätten SPD-Abgeordnete durch Handy-Fotos den Nachweis eines konformen Abstimmungsverhaltens dokumentieren sollen.

Nach entsprechenden Medienberichten hatten CDU und FDP im hessischen Landtag Aufklärung verlangt. Selbst einen Untersuchungsausschuss wollte der parlamentarische Geschäftsführer der hessischen FDP, Florian Rentsch, nicht ausschließen.

"Die Handy-Unterstellungen sind völlig abartig und entbehren jeder Grundlage", meinte Schäfer-Gümbel dazu. Es ist unter aller Würde, was uns hier nachgesagt wird. Ich kann ja verstehen, dass der hessischen Staatskanzlei kein Vorwurf zu schräg ist, um ihn uns anzulasten. Aber von den Medien erwarte ich schon etwas mehr Niveau."

Die Entscheidung für eine Tolerierung durch die Linke nach der letzten Wahl habe er sich nicht leicht gemacht, so Schäfer-Gümbel. "Aber ich lasse mir von niemandem nachsagen, ich hätte bewusst gelogen. Der Fehler der SPD war der Wortbruch, nämlich vor der Wahl etwas zu versprechen und hinterher etwas anderes zu tun."

Entschuldigung per Blog

Ähnlich äußert sich Schäfer-Gümbel in seinem Videoblog, der seit dem Wochenende freigeschaltet ist. "Ich will sagen, dass wir einen großen Fehler gemacht haben", sagt er. Schäfer-Gümbel, vor kurzem noch weitgehend unbekannt bei den Wählern, erhofft sich von dem Blog größere Popularität - ein Wahlkampfelement nach US-Vorbild.

Über den Vergleich mit dem künftigen US-Präsidenten Obama zeigte sich Schäfer-Gümbel trotzdem belustigt: "Barack Obama wird sicher ein sehr guter, charismatischer US-Präsident. Solche Vergleiche verbieten sich angesichts völlig unterschiedlicher Dimensionen - auch wenn die Hessen als ein sehr selbstbewusstes Völkchen gelten."

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