John Degenkolb:Warten aufs Momentum

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Vierter Platz, brennende Beine: John Degenkolb nach der Ankunft in Rodez nach der 13. Etappe der Tour de France. (Foto: Doug Pensinger/Getty Images)

Die Tour de France und der Geraer schließen einfach keine Freundschaft. Auch in diesem Jahr will dem 26-Jährigen der ersehnte Etappensieg einfach nicht gelingen.

Als wäre die Enttäuschung über die nächste verpasste Gelegenheit nicht genug gewesen, wurden John Degenkolb und seine Mannschaft nach der Hitze-Etappe am Freitag auch noch in einem Hotel ohne Klimaanlage einquartiert. "Ich fühle mich gerade wie ein gut durchgebratenes Steak", twitterte sein Berliner Kollege Simon Geschke. Mit kaltem Wasser getränkte Handtücher mussten her, um zumindest für ein bisschen Annehmlichkeit zu sorgen.

Es passte irgendwie zu einem Tag, der Degenkolb endlich den ersehnten Tour-de-France-Etappensieg bringen sollte, letztlich jedoch nur mit einem weiteren achtbaren Resultat endete. "Die Tour geht weiter, ich werde nicht im Erdboden versinken", sagte der gebürtige Geraer nach seinem dritten vierten Platz bei dieser 102. Frankreich-Rundfahrt dennoch kämpferisch. Aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass Degenkolb bei seiner dritten Tour-Teilnahme wieder leer ausgeht, der Abschnitt nach Valence bietet ihm am Sonntag wohl seine letzte reelle Chance, denn danach bewegt sich der Tross in Richtung Alpen. Zum Abschluss auf den Champs Élysées sind die absoluten Top-Sprinter wie André Greipel (Rostock) oder Mark Cavendish (Großbritannien) klar im Vorteil. Und auch am Samstag gab es einen weiteren Rückschlag für die deutsche Giant-Alpecin-Mannschaft: Ramon Sinkeldam, der das Berliner ProRace im Mai gewonnen hatte, musste mit Magenproblemen aufgeben. Damit hat der unglückliche John Degenkolb auf der Jagd nach dem ersten Etappensieg seiner Karriere wieder einen Helfer weniger.

Degenkolbs Saison wird deswegen keinen Kratzer abbekommen, viel zu hell strahlen die Klassikertriumphe bei Paris-Roubaix und Mailand-Sanremo. Und die WM im September in Richmond/US-Bundesstaat Virginia steht auch noch aus, der Giant-Alpecin-Profi wird schon jetzt als Mitfavorit im Straßenrennen gehandelt. "Ich muss mir nichts beweisen", hatte der 26-Jährige vor der Tour berechtigterweise gesagt. Irgendwie ist ihm die Tour aber nicht gewogen, in seiner Gesamtbilanz stehen mittlerweile auch schon vier zweite Etappenplätze.

Unterm Strich allerdings ist die diesjährige Ausgabe schon jetzt Degenkolbs bisher beste. Der Wahl-Frankfurter kommt auf fünf Top-Sechs-Resultate und liegt im Kampf um das Grüne Trikot noch immer auf Rang drei. Degenkolbs Dilemma ist, dass es derzeit sowohl in einem Bergsprint als auch im Flachsprint Stärkere gibt. "Bei John muss einfach alles passen. Das Momentum, die Tagesform - und auch das Team muss alles richtig machen. Sonst wird es schwierig", sagte seine Manager Jörg Werner.

Der Belgier Greg van Avermaet (BMC) zum Beispiel, der ähnlich veranlagt ist wie Degenkolb, musste 30 Jahre alt werden, bevor in Rodez die Zeit reif war. Und Ausmaße wie die aktuelle Pechsträhne seines slowakischen Rivalen Peter Sagan (Tinkoff-Saxo) hat Degenkolbs Durststrecke ohnehin noch nicht. Der 25-Jährige ist seit seinem letzten Tour-Etappensieg (2013) neunmal Zweiter geworden, allein dieses Jahr viermal - könnte sich darüber aber zumindest mit dem vierten "Maillot vert" seiner Laufbahn hinwegtrösten. Geschlagen wurde Sagan in den zurückliegenden beiden Jahren unter anderem von Marcel Kittel, den Giant-Alpecin wegen Formschwäche zu Hause gelassen hatte. Diese Entscheidung wird mit jeder verpassten Chance von Degenkolb fraglicher. Jedenfalls betonte Werner, der Kittel ebenfalls betreut: "Ich sehe einen super starken John Degenkolb. Aber er hat es mit seinen Qualitäten wesentlich schwerer als Marcel, der auch mit 70 Prozent Form eine Etappe gewinnen kann, weil er überragend schnell ist."

© SZ vom 19.07.2015 / sid - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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