Joachim Löw:Der deutsche Spielmacher

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Der Klinsmann-Nachfolger hat die DFB-Auswahl in eine moderne Fußballmannschaft umgebaut.

Christof Kneer

Dublin - Der Schweizer Nationaltrainer Köbi Kuhn hat in diesen Tagen ein Interview gegeben, und schon nach den ersten Fragen hatte er die Schweiz weit hinter sich gelassen. Das passiert Kuhn im Moment oft, immer fängt er an, über die Schweiz zu reden, und immer landet er irgendwann beim großen Nachbarn. In Deutschland sei das ,,doch auch perfekt gegangen'', sagte er, da hätten sie auch ,,keinen großen Namen aus dem Ausland geholt''. Dort hätten sie einfach den Assistenten genommen, den Joachim Löw.

Joachim Löw: auch am Ball stark (Foto: Foto: dpa)

In der Schweiz steigt ja bald ein großes Turnier, und deshalb müssen die Schweizer gerade ganz tapfer sein. Kaum ist von diesem großen Turnier die Rede, werden sogleich die Deutschen als Vorbild herbeizitiert, und wenn nicht alles täuscht, wird nun offenbar auch die Schweizer Trainerfrage in Deutschland entschieden. Köbi Kuhn, 68, möchte als Nachfolger unbedingt seinen Assistenten durchdrücken, den weithin unbekannten Michel Pont, und da kommt es ihm recht gelegen, dass vor nicht allzu langer Zeit auch der Deutsche Jürgen Klinsmann seinen Assistenten durchdrückte, den weithin unbekannten Joachim Löw.

Joachim Löw, 47, hat es jetzt also zu einer stilbildenden Personalie im europäischen Fußball gebracht, damit hat man vor einem guten Jahr nun wirklich nicht rechnen können. Vor einem guten Jahr startete Löw in Stuttgart mit einem 1:0 gegen Irland in die EM-Qualifikation, nun kann er sie in Irland schon vollenden. Ein winziges Pünktchen noch, dann ist Deutschland als erste Nation für dieses große Turnier 2008 in Österreich und der Schweiz qualifiziert - unter der Reiseleitung eines Trainers, der keinerlei Lichtgestalt ist und noch niemals in seinem Leben ein Länderspieltor geschossen hat. ,,Ich kann mich noch gut an die Skepsis beim DFB erinnern, als ich den Namen Joachim Löw als möglichen Nachfolger für Jürgen Klinsmann hinterlegt habe'', sagt Teammanager Oliver Bierhoff. ,,Nicht, dass sie ihm das nicht zugetraut hätten - aber der DFB war eben immer große Namen wie Beckenbauer, Völler oder Klinsmann gewohnt.''

Spiel nach einem klaren Plan

Der deutsche Fußball hat erst lernen müssen, dass auch kleine Namen nicht unter seiner Würde sind. Der deutsche Fußball hat überhaupt sehr viel lernen müssen, denn dieser neue kleine Name ist dem großen deutschen Fußball so sehr an die Wurzeln gegangen wie noch kein Trainer vor ihm. Joachim Löw versucht nichts weniger, als dem deutschen Fußball seine Tugenden wegzunehmen. Er will nicht mehr auf den Eckball in der 90.Minute vertrauen, er vertraut der Kraft der Gruppendynamik, und wer Löws Elf beim Verschieben und Umschalten zusieht, der erkennt eine Elf, die an einem guten Tag nach höchsten internationalen Standards spielen kann.

,,Natürlich lebt Fußball von Begeisterung und Instinkt'', sagt der Abwehrspieler Marcell Jansen, ,,aber das alles bringt ja nur was, wenn jeder genau weiß, was er zu tun hat.'' Diese Mannschaft spielt nach einem klaren Plan, und sie hat diesen Plan so verinnerlicht, dass auch neu hinzugekommene Spieler gar nicht anders können, als sofort nach diesem Plan zu spielen. ,,Eine von Joachims größten Stärken ist, dass er sich mit Vertrauten umgibt und dann auch fähig ist, ihnen zuzuhören'', sagt Chefscout Urs Siegenthaler - der größte Vertraute ist er selbst. Der Schweizer, der Löw vor zwei Jahrzehnten an der Trainerschule im Schweizer Magglingen ausbildete, gilt als Löws Taktikflüsterer - gemeinsam haben die beiden die von Jürgen Klinsmann hinterlassene Emotionsmannschaft zu einer modernen Fußballmannschaft umgebaut, die das Fehlen herausragender Einzelkönner durch beängstigende Betriebssicherheit ausgleicht. Einen Spielmacher hat die DFB-Elf aber immer noch: Er heißt Joachim Löw.

Joachim Löw hat den Deutschen das Spiel zurückgegeben, und natürlich kann man sagen, dass es für den deutschen Fußball im Moment ein rechtes Glück ist, diesen Löw zum Bundestrainer zu haben. Aber es wird gerne übersehen, dass auch das Gegenteil wahr ist. Immer mehr zeigt sich, dass es auch für Joachim Löw ein rechtes Glück ist, Bundestrainer zu sein. Nur in diesem Amt kann er sich den Luxus eines eigenen Fußballs leisten. Er weiß, wie er spielen lassen will, also holt er Spieler, die das können. Wer nicht ins System passt, der bleibt eben in Dortmund wie einst Christian Wörns - oder wie aktuell der Schalker Fabian Ernst, dessen Spiel der Bundestrainer durchaus schätzt, den er aber für keinen guten Ergänzungsspieler hält. Viele Vereinstrainer scheitern, weil sie ihren Mannschaften stur ihre heiligen Systeme aufzwingen, obwohl die Mannschaften gar nicht die Spieler dafür haben, und auch Löw hat da auf seinen Tingelstationen in der Türkei, Österreich oder Karlsruhe nicht immer sehr glücklich ausgesehen. Jetzt aber muss er keine Rücksichten mehr auf Kaderstärken oder finanzielle Grenzen eines Vereins nehmen. Dem Klubtrainer Thomas Schaaf kracht in Bremen sein gesamtes Mittelfeld zusammen, wenn sich Torsten Frings verletzt. Joachim Löw stellt dann einfach Thomas Hitzlsperger auf diese Position.

Er gibt sich sperrig

Joachim Löw, der ehemalige kleine Name, ist offenbar am besten auf der großen Bühne. Er hat nicht nur den passenden Fußball für diese Bühne, er hat auch den passenden Tonfall dafür. ,,Ich möchte wissen und will auch spüren, ob man sich beim DFB nur an den Ergebnissen orien-tieren möchte oder ob man vom Team und seinen Methoden überzeugt ist'', hat Löw vor dem Abflug nach Dublin noch schnell gesagt. Er möchte nicht, dass sie seinen Vertrag verlängern, weil er in England 2:1 gewonnen hat. Er möchte, dass sie ihn verlängern, weil sie von seinem Ansatz überzeugt sind. Als Moderator ist Joachim Löw um Klassen besser als Jürgen Klinsmann: Lässig und in der Sache knallhart nutzt er seine Position der Stärke, um den DFB vollends einzulöwen - aber anders als bei seinem Vorgänger gibt es keine Verletzten dabei. Er möch-te sein Konzept bis in die Nachwuchs-mannschaften hinuntergetragen wissen, aber wird das Thema nicht so radikal zu-spitzen wie damals Klinsmann, dem der Verband zur Strafe den Kandidaten Bernhard Peters aus dem Stellenplan herausredigierte und stattdessen Matthias Sammer einstellte. Trotzdem ist es die Nachricht vor dem Irland-Spiel, dass Joachim Löw nicht so einfach zu haben ist - er gibt sich sperrig, und sie werden ihm schon ein paar Wünsche erfüllen müssen, bevor er unterschreibt.

Dass er am Ende unterschreiben wird, gilt intern aber als ausgemacht, offen ist der Zeitpunkt. Zwischen sofort und dem Beginn des neuen Jahres ist im Moment alles möglich. Die stets kritische Liga wird dagegen nichts einzuwenden haben, sie hat sich schon früh arrangiert mit einem Bundestrainer, der zwar weiterhin unbeirrt Zweikampf- und andere Debatten anzetteln wird, aber auch die Größe hat, sich klein zu machen - wie gerade geschehen, als er sich bei den Veranwortlichen des VfB Stuttgart dafür entschuldigte, dass er den VfB-Profi Roberto Hilbert im Test gegen Rumänien absprachewidrig 90 Minuten einsetzte.

Noch steht der Beweis aus, ob Löws Welt auch bei Niederlagen stabil bleibt, die Assistenztrainer dieser Welt sind jedenfalls auf seiner Seite. Vielleicht darf Michel Pont ja wirklich nachrücken, und vielleicht wird auch in Österreich der Assistent bald befördert. Er hofft jedenfalls darauf, der Andi Herzog.

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