Jan Ullrich im Selbstgespräch:Tour de Trance

Lesezeit: 2 min

Schuld sind die Medien - und zu Spanien hat er kein Vertrauen mehr: Jan Ullrich hat durchaus Erkenntnisse aus der Krise gewinnen können - und verbreitet sie sogleich im "Fan-Talk" auf der eigenen Homepage.

Franz Baden

Die Schrankwand im Hintergrund ist von jener bedrohlichen Nüchternheit, die viele deutsche Wohnzimmer zu Zeiten des Kalten Krieges und manches Chefzimmer in einer mittelständischen Firma während des Wirtschaftswunders auszeichnete. Vor einem Ungetüm aus Nussbaum also sieht man nun jenen Mann sitzen, der mehr als ein Jahrzehnt lang der Held des Radsports war. Und dieser Mann hat sich den Ort selbst ausgewählt, um nun noch einmal in einem Interview auf der eigenen Homepage zu erklären will, wie das so war mit seinem Rücktritt.

(Foto: Foto: janullrich.de)

Jan Ullrich hat das Hemd geöffnet. Er wirkt fast noch zerstreuter als bei seiner öffentlichen Pressekonferenz zum Rücktritt in der vorvergangenen Woche. Dabei duzt ihn der Interviewer in diesem "Fan-Talk" freundlich, die Atmosphäre wirkt vertraut - und Ullrich hat mehrfach Grund, die harmlosen, netten Einwürfe des Gegenübers als "gute Frage, gute Frage" zu kennzeichnen.

Hier kommt eine journalistische Gesprächskultur glatt unter die Räder.

Angeblich seien alle Fragen der Fans zur Sache Ullrich gesammelt worden, zur Abfahrt des einstigen Radprofis ins Aus, erzählt der Ex-Profi.

Nachdem der Star dieser seltsamen Veranstaltung wieder mal seinen eigenen Zustand analysiert ("ausgepowert, aber glücklich"), geht es los mit der ungeheuerlichen Konfrontation, ob es Jan Ullrich leicht gefallen sei, seine Karriere zu beenden.

Die nächste Frage handelt davon, warum er gleich nach dem Trainingslager Schluss gemacht habe. Gute Frage, gute Frage.

So geht es in einem fort, eine Tour de Trance. Als die Rede dann auf seinen Auftritt bei "Beckmann" in der ARD kommt, auf das Nichtantworten zu Fragen rund um Doping, da hebt Jan Ullrich wieder an zur pauschalen Medienschelte: "Bin falsch rübergekommen", seine Aussagen seien "verfälscht".

Er habe kein Vertrauen mehr zu Spanien, ob es da alles mit rechten Dingen zugehe. Und was die gefundenen Beweise bei einem bekannten Dopingarzt betrifft, so erklärt Ullrich noch. "In Spanien geht es drunter und drüber". So der Deutsche, der in der Schweiz lebt.

Er habe "viele Freunde" unter den anderen Radprofis, sagt Ullrich bei diesem erweiterten Selbstgespräch. Zwischen ihm und den Fans solle niemand stehen - und verspricht ihnen noch für dieses Jahr ein gaaaaanz tolles Ding - das werde "geil, ganz geil", so formuliert es Ullrich.

Ob es denn einen Rücktritt vom Rücktritt geben werde? Da sagt der Star von einst nur ein klares Wort: "Nein".

Und dabei sollte es auch wirklich bleiben.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: