Jan Frodeno in Roth:Entspannter Jungvater

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Die Einsamkeit des Läufers: Im Oktober gewann Jan Frodeno beim mythenumwehten Ironman auf Hawaii. (Foto: Mark J. Terrill/AP)

Was macht man nach seinem erfolgreichsten Jahr? Frodeno versucht sich am Weltrekord auf der Langstrecke. Ein Baby verleiht ihm Gelassenheit, eine Gastfamilie gibt ihm im Fränkischen ein Gefühl von Zuhause.

Von Johannes Knuth, Roth

Die Nächte, sagt der Triathlet Jan Frodeno, sind mittlerweile auch kein Problem mehr. Nachts schläft er mit Schlafmaske und Ohropax, und wenn sein Sohn schreit, kümmert sich Frau Emma. "Ist schon hart für sie", gibt Frodeno zu, er macht allerdings mildernde Umstände geltend: "Als Sportler muss ich einfach frisch im Training stehen. Der Sport soll ja noch ein paar Jahre weitergehen."

Ansonsten ist er natürlich sehr glücklich mit seiner Vaterrolle, in die er vor rund fünf Monaten geschlüpft ist. "Man redet bei der Geburt ja immer vom größten Moment des Lebens", sagt er, "aber für mich ist das eher das Alltägliche - mit ihm mal zu schwimmen, einfach Zeit mit ihm zu verbringen". Der Alltag erscheine sowieso in einem anderen Licht, "da werden manche Dinge, die man vorher als wichtig erachtete, eher sekundär." Frodeno findet: "Man konzentriert sich noch mehr aufs Wesentliche."

Die erste wesentliche Vorstellung in diesem Triathlonsommer gibt Frodeno am Sonntag, auf der Langdistanz bei der Challenge im fränkischen Roth. Es ist ein Start, der ihn mit "nervöser Vorfreude" erfüllt. Zum einen, weil er auf ein beeindruckendes Jahr folgt, in dem er so ziemlich alle Hauptpreise gewann, die es in seinem Sport zu gewinnen gibt: Europameister auf der Langdistanz (3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren, 42,2 km Laufen). Weltmeister auf der halben Strecke. Im Oktober der Sieg beim mythenumwehten Ironman auf Hawaii, der Urzelle dieses Ausdauerdreikampfs.

Schwer verliebt in die stundenlange Quälerei

Der Olympiasieger 2008 auf der Kurzdistanz, der einst über die Eisenmänner spottete, hat sich schwer verliebt in die stundenlange Quälerei. Zum anderen tritt er nun zum ersten Mal in Roth an, dem größten deutschen Sammelpunkt der Langstreckler neben Frankfurt, und weil Frodeno das Streckenprofil mag, hat er sich auch noch die Weltbestmarke vorgenommen. Jene 7:41,33 Stunden des Rostockers Andreas Raelert also. Seine Wadenverletzung, die ihn im Frühjahr für sechs Wochen einschränkte, hat er längst auskuriert, "das ganze Team ist hoch motiviert", sagt Frodeno, "da wird aerodynamisch jede Sekunde rausgeholt".

Nur manchmal sei er nachts aufgeschreckt, nicht wegen des Geschreis, sondern wegen des Rekords: "Verdammt", dachte er, "was hast du dir hier eigentlich vorgenommen?"

Es ist gar nicht so einfach, wenn es immer weitergehen muss, wenn man die Grenzen seines Sports, die man schon mächtig verrückt hat, noch weiter verschieben soll. "Jeder erwartet von mir mittlerweile, dass ich gewinne", sagt Frodeno, "und wenn ich dann gewinne, dann heißt es: Naja, war ja eh klar."

"Man startet gegen ein Phantom, gegen eine Zeit"

Die Vaterrolle kommt ihm da ganz recht, sie schenkt ihm etwas mehr Gelassenheit. Ansonsten lässt er sich von seinem Abenteuergeist treiben, der ihn schon nach Hawaii verschlug, wie bei einer Expedition in bislang unerforschtes Gebiet. "Man startet gegen ein Phantom, gegen eine Zeit", sagt Frodeno. Er ist als Triathlet auf der Kurzstrecke sozialisiert worden, mit vielen Duellen und Manövern, bei denen man mit Tempo (und Gegner) spielt. In Roth, sagt Frodeno, "ist dieser Gegner gar nicht da."

Er versucht die Erwartungen ein wenig zu dämpfen, der Bestmarke wohnt im Triathlon nicht die gleiche Bedeutung inne wie in anderen Sportarten, jede Piste ist ein wenig anders, nicht auf allen lassen sich schnelle Zeiten erschaffen. Wobei ihm dieser Rekord schon ein Anliegen ist, auch für den Triathlon, der durch sein Projekt wieder ins Licht der Aufmerksamkeit gerückt wird. "Man muss sich einfach immer etwas weiterbewegen", sagt er, "auch als Botschafter für den Sport."

Das sind Sätze, die Frodeno früher in dieser Form wohl nicht in die Welt geschickt hätte. Früher habe er, wenn er sich ins Ziel geschoben habe, schon mal gedacht: "Mann, was bin ich geil." Er wollte auf allen Hochzeiten tanzen, mit jedem befreundet sein, nach einem langen Arbeitstag abends noch einmal weggehen. Aber manchmal kann es eben auch ein Gewinn sein, wenn man manche Dinge weglässt. "Ich bin schon geerdeter", sagt Frodeno. Wenn er sich in eine Siegerliste einträgt, dann sei das eine "Riesenehre". Und er habe begriffen, hat er zuletzt erzählt, "dass ich das alles ohne meine Familie und ohne meine Freunde nicht auf die Reihe kriegen würden".

Lieber Roth als Frankfurt: Das Familiäre wirkt

Es ist kein Zufall, dass er in diesem Jahr den Auftritt in Frankfurt ausgelassen hat, der unter dem Dach der Ironman-Serie steht. Er wollte lieber in Roth starten, dem größten Rennen der konkurrierenden Challenge-Gruppe, das mit seiner familiären Atmosphäre wirbt. Auch als Botschaft gegen die neuen Eigentümer von Ironman, die das Unternehmen nach ihrer Übernahme im vergangenen Winter forsch umbauten und expandierten; aus der Szene flog ihnen dafür viel Kritik entgegen. "Wir werden ja öffentlich immer zugänglicher, aber man darf auch das Familiäre nicht verlieren", sagt Frodeno.

In Roth wohnt er in diesen Tagen bei einer Gastfamilie, in der Region gibt es kaum Hotels. "Ich kannte die vor meiner Anreise nur vom Telefon und Email", sagt Frodeno, "ich kann mich fühlen wie zu Hause und habe Ruhe. In welcher Sportart gibt es denn so etwas?"

© SZ vom 17.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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