Jahreshauptversammlung des FC Bayern:Hoeneß streitet mit Fans

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Der Manager des FC Bayern, Uli Hoeneß, hat auf Kritik an der Stimmung im Stadion heftig reagiert. Der Eindruck: Die Bayern-Macher stehen erheblich unter Druck.

Thomas Hummel

Als sich sogar Franz Beckenbauers gelöste Mimik in tiefe Falten zog, war die gute Stimmung endgültig dahin. Selbst dem Weltmann aus Giesing fiel kein flapsiger Spruch mehr ein, der die Lage im Saal entspannt hätte, stattdessen bestand der Präsident und Vorsitzende des Aufsichtsrats des FC Bayern München ungewohnt kleinlich darauf, dass sich die Wortmelder doch bitteschön an das Thema halten sollen, das sie ihm zuvor auf den Zettel geschrieben haben. Wäre dort nämlich "Stimmung in der Arena" gestanden, hätte Beckenbauer das Papier vermutlich unter den Tisch fallen lassen.

Warf einigen Fans "populistische Scheiße" vor: Bayern-Manager Uli Hoeneß. (Foto: Foto: AP)

An diesem Thema hatten sich während der Jahreshauptversammlung des größten Fußballklubs in Deutschland die Gemüter derart erhitzt, dass die Lage fast außer Kontrolle geriet. Vor allem Manager Uli Hoeneß war kaum mehr zu halten, schrie mit aufgerissenen Augen, Zornesröte im Gesicht und erhobenen Zeigefinger in Richtung der anwesenden Fans. Zwei von diesen hatten sich am Mikrofon beschwert, dass die Atmosphäre in der Münchner Arena bei Spielen des Rekordmeisters "überhaupt ned hinhaut", es sei "in der Tiefgarage eine bessere Stimmung als im Stadion". Man habe sich zwar daran gewöhnt, dass die Leute auf der Haupttribüne mit einem Sektglas in der Hand keine La Ola hinkriegten, doch viele Fans wollten sich nicht wie "Kunden" behandeln lassen und wünschten sich die Zeiten zurück, als Tickets für Bayern-Heimspiele "noch nicht bei Ebay gehandelt wurden". Ein anderer hatte sich die Mühe gemacht, und in den vergangenen Spielen die Dauer der Fangesänge gestoppt: "Gegen Frankfurt waren es sechs Minuten, gegen Bolton acht Minuten." Sie wünschten sich, dass der Verein mehr für eine bessere Stimmung in der Arena unternehme.

Hoeneß schrie den Wortmeldern und ihren Unterstützern im Saal des Münchner Nockherbergs hinterher, dass dies "populistische Scheiße" sei. Die Fans seien doch für die Stimmung verantwortlich - und nicht der Vorstand des Vereins. Das Stadion habe mehr als 300 Millionen Euro gekostet, das lasse sich nicht mit den Stehplatzkarten für sieben Euro abbezahlen. "Wer glaubt ihr eigentlich, wer euch finanziert? Das sind die Leute in der Loge, denen wir das Geld aus der Tasche ziehen", rief Hoeneß. "Wenn ich immer höre, bei Sechzig (Lokalrivale 1860 München, Anm. d. Red.) sei die Stimmung so toll! Da ist gar nichts toll, die sind fast pleite!" Das erinnere ihn an die Diskussion bei 1860 über die Rückkehr ins Grünwalder Stadion, "aber wenn ihr das wollt, dann könnt ihr irgendwann in der Regionalliga spielen. Mit diesem Präsidium aber nicht."

"Für 40 Euro müssen wir uns nicht rechtfertigen"

Die Worte von Uli Hoeneß überschlugen sich fast im Zorn über die Kritik an der Fanpolitik des Vereins. "Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid, dass ihr uns kritisiert, weil wir dieses Stadion hingestellt haben!" Auch als moniert wurde, dass die Eintrittspreise zu hoch seien, bezog der Manager deutlich Stellung. "Wir sind im europäischen Vergleich der mit Abstand billigste Spitzenklub. Bei Bolton im Stadion kostet die billigste Karte schon 40 Euro. Da müssen wir uns für 40 Euro für eine Karte gegen Schalke nicht rechtfertigen."

Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge sprang Hoeneß bei, sprach von Humbug, von unverschämten und lächerlichen Aussagen. "Das Problem ist doch, dass sich die Fanklubs untereinander nicht grün sind, sich nicht koordinieren lassen." Der Klub habe kürzlich angeboten, im Stehplatzbereich eine Kapelle zu installieren, die die Fangesänge anleiten sollte. Doch das sei von den Fans abgeblockt worden, "weil sie das als Eingriff in ihre Welt ablehnen", schimpfte Rummenigge mit Ironie im Ton.

In dieser heftigen Auseinandersetzung verfestigte sich der Eindruck, dass die Verantwortlichen des FC Bayern erheblich unter Druck stehen und sich ihre Arbeit der vergangenen Jahre nicht kaputtreden lassen wollen. Der Fan sollte ihrer Ansicht nach dankbar sein für die neue Arena am Münchner Stadtrand, "die uns ja jetzt ganz alleine gehört", wie Rummenigge stolz betonte, weil 1860 München wegen der hohen Kosten im vergangenen Jahr seine Anteile verkaufen musste. Mit der Übernahme dieser Anteile gehört dem FC Bayern das Stadion zwar alleine, was allerdings zu einem beträchtlichen Kostendruck führt. Schlechte Stimmung in und um die Arena kann sich der Verein kaum leisten.

Dabei waren die Geschäftszahlen wieder einmal beeindruckend. Die sportlich schwache Saison 2006/07 hinterließ finanziell den Rekordumsatz von 225,8 Millionen Euro, den Rekordgewinn von 18,9 Millionen Euro und teilweise schwindelerregende Steigerungen etwa beim Merchandising. Die Mitgliederzahl beträgt inzwischen mehr als 135.000, was alleine fünf Millionen Euro pro Jahr an Beiträgen in die Kasse bringt.

Rummenigge fordert von Hitzfeld Trophäen

Dennoch betonten die Macher mehrfach, dass nach den Investitionen im Sommer nun der sportliche Erfolg Pflicht sei. "Wir müssen im kommenden Jahr hier wieder ein, zwei Trophäen präsentieren", sagte Rummenigge. Nach zuletzt zwei Punkten aus drei Bundesligaspielen und dem mageren 2:2 im Uefa-Cup gegen Bolton hatte es Verwerfungen zwischen Rummenigge und Trainer Ottmar Hitzfeld gegeben, die der Vorstandsvorsitzende auf dem Nockherberg öffentlichkeitswirksam ausräumen wollte. So stieg Rummenigge anfangs vor allen Kameras vom Podium herunter, um Hitzfeld die Hand zu schütteln, auch am Rednerpult reichte er Hitzfeld "symbolisch die Hand". Allerdings blieb auch der Satz in Erinnerung, dass er sich vom Trainer gewünscht hätte, bei "gewissen Entscheidungen vorher die Verantwortlichen in ein Gespräch einzubeziehen". Das Thema Vertragsverhandlungen mit Hitzfeld stehe erst im Januar an "und keinen Tag früher".

Das hinterließ trotz anderslautender Bekundungen bei vielen den Eindruck, dass die Macher ihrem Trainer nicht mehr ganz trauen und notfalls schnell eingreifen wollen, "um den FC Bayern wieder auf die Erfolgsspur zu bringen", wie es Rummenigge ausdrückte. Mit Grimm in der Stimme versprach er denn auch den Mitgliedern, "dass wir die Herbstmeisterschaft unter den Tannenbaum legen werden". Franz Beckenbauer sagte in etwa das Gleiche, nur lachte er dazu: "Bitte, lieber Ottmar, schau, dass wir hier nächstes Jahr die Meisterschale stehen haben."

Beckenbauer mit komödiantischem Talent

Beckenbauer wirkte wie ein luftiger Gegenpol zum impulsiven Macher Hoeneß und dem kühlen Taktiker Rummenigge. Mit fast komödiantischem Talent führte der Präsident die Veranstaltung, erzählte von den ersten Verhandlungen mit Luca Toni in Bergamo ("da hab ich nicht gespürt, dass der unbedingt nach München kommen will und ich hab mir gedacht, bist halt umsonst runtergeflogen"), entspannte die Diskussion um die Personalpolitik von Trainer Hitzfeld mit einer Anekdote aus dem Jahr 1984, als er als Bundestrainer einmal den Spieler Rahn eingewechselt hatte, der dann gleich ein Tor schoss. "Den Nächsten wechselst ein und der schießt ein Eigentor. Das ist auch schon passiert", sagte er unter Gelächter des Publikums und betonte, dass er als Spieler nie eingewechselt wurde.

Doch den Streit zwischen Uli Hoeneß und den Fans konnte nicht einmal Beckenbauer glätten. Und das war die eigentliche Überraschung des Abends.

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