Ivan Klasnic:"Fußball ist ein dreckiges Geschäft"

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Ivan Klasnic will wegen seiner Nierentransplantation 1,4 Millionen Euro Schadenersatz von Werder Bremen. Der Verein deutet eine Trennung von Klasnic an.

Jörg Marwedel

Am Tag, nachdem Ivan Klasnic noch einmal nachgelegt hatte, blieb es ungewöhnlich ruhig in Bremen. "Sie werden dafür büßen", hatte er nach dem Training am Sonntag vor Journalisten gesagt, er werde sich nie wieder von Werders Mannschaftsarzt Götz Dimanski behandeln lassen. Am Samstag war herausgekommen, dass er vor dem Landgericht Bremen Dimanski und die Internistin Manju Guha auf 1.427.944,55 Euro Schadensersatz verklagt habe, weil die Versäumnisse der Ärzte dazu geführt hätten, dass er im März 2007 eine neue Niere eingesetzt bekam, die Niere seines Vaters Ivan. Was gab es nun von Vereinsseite nach dieser erneut heftigen Attacke des ersten Fußballprofis, der seine Karriere nach einer Nierentransplantation fortsetzte?

Es ist fraglich, ob Ivan Klasnic noch lange der Welt von Werder angehören wird - die eh nicht mehr so heil zu sein scheint. (Foto: Foto: dpa)

"Wir sprechen Auge in Auge"

Es gab es nur den einen Satz, der vom Werder-Vorstand Manfred Müller kam, der aber womöglich das Ende der siebenjährigen Zusammenarbeit zwischen dem Bundesligaklub und dem kroatischen Nationalspieler bedeuten kann: "Wir sprechen Auge in Auge mit Ivan darüber, ob er überhaupt noch Lust hat, mit uns zusammenzuarbeiten." Der Vertrag läuft Ende Juni aus. Auge in Auge - das wird frühestens Dienstag passieren können. Am Montag war Geschäftsführer Klaus Allofs "auf einem nicht zu verschiebenden Termin außerhalb Bremens", wie Medienchef Tino Polster sagte.

Zuvor aber wird Klasnic noch einen öffentlichen Termin haben. Er wollte am späten Montagabend bei Reinhold Beckmann in der ARD weitere Interna auspacken, die wohl auch seinen Klub nicht ganz so familiär erscheinen lassen wie stets angenommen. Auch im Nachrichtenmagazin Spiegel hatten sich Ivan Klasnic und seine resolut auftretende Frau Patricia nicht gerade Werder-freundlich geäußert.

Ein Schreiben des Klasnic-Anwalts, auf das der Werder-Vorstandsvorsitzende Jürgen L. Born verweist und das angeblich "Herrn Dimanski völlig entlastet", spielt bei Klasnic, dem vermeintlichen Opfer ärztlicher Pannen, keine Rolle. Dimanski wiederum sagte nichts. Er beruft sich einerseits auf die ärztliche Schweigepflicht, andererseits will er keinen Ärger mit seiner Haftpflichtversicherung, die einer außergerichtlichen Einigung nicht zustimmte.

Lebensbedrohende Werte

Womöglich wird es ein langer Gutachter-Streit, der sich bei medizinischen Fragen über Jahre hinziehen kann. Die 21-seitige Expertise des Professors Ulrich Kunzendorf, Direktor der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, kommt jedenfalls zu einer vernichtenden Beurteilung der Werder-Ärzte.

Schon bei der Untersuchung vor Klasnics Wechsel vom FC St. Pauli zu Werder Bremen 2001 seien die Werte alarmierend gewesen. Damals hätten die Nieren des zu diesem Zeitpunkt 21-jährigen Profis noch zu 67 Prozent gearbeitet, ehe sie im Laufe der Jahre bis auf 28 Prozent gefallen seien.

Bereits im November 2007 hatte der Bremer Spezialist Arno-Ekkehard Lison, Direktor der Medizinischen Klinik III am Klinikum Mitte, bei Radio Bremen heftige Vorwürfe gegen Dimanski erhoben. Er würde sich "im Grabe umdrehen", falls ihm die "sicheren medizinischen Signale" entgangen wären.

Auf der nächsten Seite: Werder stellt sich auf Dimanskis Seite und warum Fußball in Klasnic' Augen "ein dreckiges Geschäft" ist.

Werder Bremen aber stellte sich auf Dimanskis Seite, Allofs lobte gar, Werder sei "auch medizinisch Spitze in der Bundesliga". Lison musste am nächsten Tag - vermutlich, weil ihm eine Millionenklage angedroht wurde -, seine Aussagen zunächst fallen lassen. Kurios ist, dass ausgerechnet Dimanski, der nach Aussage der kritischen Kollegen die gefährlichen und durchaus lebensbedrohenden Werte übersah, laut Spiegel am 27. September 2007 in einer "Risikoaufklärung" Klasnic "eindringlich" riet, "von der Wiederaufnahme einer leistungssportlichen fußballerischen Aktivität Abstand zu nehmen". Bei einer Nierenverletzung während eines Fußballspiels könne es ja "zu einer ernsthaften Schädigung des transplantierten Organs bis hin zum möglichen Totalverlust, unter Umständen sogar mit Todesfolge führen".

"Ein dreckiges Geschäft"

Dabei hatten die Werder-Ärzte Klasnic laut Gutachten vier Jahre lang trotz der schlechten Nieren-Werte Medikamente mit dem schmerzstillenden und entzündungshemmenden Wirkstoff Diclofenac verabreicht, einer Arznei, die Nieren schädigen kann. Nach einer Blinddarmoperation bei Klasnic im November 2005 erinnerte seine Medikation, so der Spiegel, gar "an die Reiseapotheke eines Radlers vom Team Telekom in den neunziger Jahren".

Es befanden sich darin das Kortikosteroid Urbason, das blutdrucksenkende Rampiril, der Harnsäureblocker Allopurinol, das Vitamin-D-Präparat Vigatol, und zur Bekämpfung der Blutarmut einmal die Woche 1.000 Einheiten Epo. Auch deshalb hat Klasnic inzwischen den Eindruck, dass der Fußball "ein dreckiges Geschäft" und Profis "nur Maschinen" sind. Auch für der seriöse Manager Klaus Allofs habe ihn als Schwerkranken "behandelt wie einen Profi nach einem Muskelfaserriss".

Das alles klingt nicht so, als gäbe es eine Zukunft für Ivan Klasnic in Bremen. Vielleicht zieht Werder ja nach dem Auge-in-Auge-Gespräch das Angebot auf eine Vertragsverlängerung zurück. Aber auch, wenn Klasnic nach der Saison aus Bremen verschwindet, würde es nicht leicht für Dimanski. Ein Arzt, der angeklagt ist und bei etlichen Profis nicht sehr beliebt, könnte eventuell darauf kommen, dass seine Zeit als Werder-Mediziner abgelaufen ist.

© SZ vom 29.04.2008/mb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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