Italien in der EM-Qualifikation:Sein oder Nichtsein

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Ein Punkt gegen Schottland entscheidet über die Zukunft von Italiens Nationaltrainer Roberto Donadoni.

Birgit Schönau

Es geht um alles. Um Sein oder Nichtsein, aufrechten Gang oder allertiefste Depression. Dabei braucht Roberto Donadoni nur ein Unentschieden. Ein Remis von Weltmeister Italien gegen Schottland, die Nummer 13 der Weltrangliste, würde ausreichen für die EM-Qualifikation. Müsste zu schaffen sein, am Samstag in Glasgow. Die Schotten haben zwar von den letzten fünf Heimspielen fünf gewonnen, eines davon gegen Frankreich. Aber wie das mit solchen Glückssträhnen ist, irgendwann sind die auch vorbei. Donadoni ist optimistisch.

Er wird, wie beim 2:0 gegen Georgien, mit einer Dreierspitze spielen lassen. In der Mitte Luca Toni, links Antonio Di Natale, rechts Mauro Camoranesi oder Vincenzo Iaquinta. Im Mittelfeld bevorzugt er das Milan-Trio Rino Gattuso, Andrea Pirlo, Massimo Ambrosini, vor den beiden Roma-Spieler Daniele De Rossi oder Simone Perrotta. Hinten wird Kapitän Fabio Cannavaro stehen, gemeinsam mit Andrea Barzagli, Christian Pannucci, Gianluca Zambrotta. Und im Tor natürlich Gigi Buffon. Neun Weltmeister im Team sollen dafür sorgen, dass sich der Alptraum von 1984 nicht wiederholt - damals schaffte Italien als amtierender Champion nicht die Qualifikation für die Europameisterschaft.

Donadonis Verpflichtung war für viele Italiener ein Sakrileg

Falls Donadoni in Glasgow verliert, dürfte er ziemlich schnell in der Versenkung verschwinden. Und seinen nicht wenigen Kritikern Recht geben, die ihn von Anfang an für unfähig hielten, in Marcello Lippis Fußstapfen zu treten. Ein 43-Jähriger, der außer einem knappen Jahr beim Erstligisten Livorno keine Erfahrung in der Serie A vorweisen konnte, der zuvor nur in den unteren Ligen trainiert hatte und bei den Scheichs in Arabien (kein richtiger Fußball). Dass der die erste Weltmeisterelf nach einem Vierteljahrhundert übernehmen durfte, war für viele ein Sakrileg, ermöglicht nur durch den Manipulationsskandal, der Lippis Engagement in der Squadra Azzurra kompromittierte und jeden Kandidaten aus dem Juve-Umfeld unmöglich machte.

Dass Donadoni tatsächlich lange brauchte, um in sein neues Amt buchstäblich hineinzuwachsen, lag aber nicht nur an mangelnden Vorschusslorbeeren. Die Zeit der großen Charismatiker und Ex-Fußballer bei Nationalteams war auch anderswo vorbei - in England, Frankreich, Deutschland. Sperrige Charaktere hat man in Italien ebenfalls schon öfter als Commissario Tecnico erlebt - Bearzot, Zoff, auch Lippi selbst, vor dessen schneidendem Sarkasmus keiner sicher war. Aber Donadoni war in den ersten Monaten ganz schmallippig vor lauter Anstrengung. Er erschien als verkniffen und übelnehmerisch, das mag man gar nicht in Italien.

Erst vor ein paar Wochen hat er sich entspannt. Statt der Trainingskluft trägt er am Spielfeldrand nun den Klubanzug der Nazionale Azzurra, als habe er endlich an sich selbst die physique du role entdeckt. Mit den Spielern kommt er bestens aus, man schätzt sich und neckt sich, dass manche ihn duzen, ist kein Zeichen mangelnden Respekts. Natürlich war es mit Lippi anders, er ist autoritärer. Aber Donadoni hat sich die Mannschaft erobert, wie diese sich Punkt für Punkt in der Qualifikationsgruppe eroberte. Nun sind es 23 Punkte in zehn Spielen. Natürlich hätte es besser aussehen können, aber wenn das Team nach der WM, nach dem Abschied von Totti und Nesta, nach der nie dagewesenen Abwanderung entscheidender Spieler in ausländische Ligen nicht ganz in sich zusammengefallen ist, so hat Donadoni daran entscheidenden Anteil.

Erst mal gewinnen

Auch in dieser äußerst schwierigen Woche für den italienischen Fußball nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen Fan und folgenden Krawallen bewies der Nationaltrainer Format. Donadoni distanzierte sich deutlich von den Hooligans und befürwortete sogar einen unbefristeten Spielstopp als starkes Signal für einen Neuanfang. Hooligans könnten die Nazionale auch in Glasgow einholen - die Polizei befürchtet, dass sich eine Abordnung von 300 Ultras auf den Weg nach Schottland machen könnte. Die Klubs, die Donadoni nie unterstützt haben, interessiert ohnehin nur, möglichst schnell ihre Spieler wieder zu haben. Die Roma hat bereits verlangt, im Falle eines Sieges gegen Schottland umgehend ihre vier Nationalspieler heim zu schicken. Für das Match gegen die Faröer am kommenden Mittwoch seien diese kostbaren Profis ja dann überflüssig. Aber diese Ansprüche sind Donadonis kleinstes Problem. Erst mal gewinnen, dann ist alles möglich.

© SZ vom 17.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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