Italien - Frankreich:Abfall des Fußballs

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Nach einem unverschämt langweiligen 0:0 gegen Frankreich ist Italiens EM-Qualifikation akut bedroht. Roberto Donadoni macht als Nationaltrainer Dienst nach Vorschrift.

Birgit Schönau

Viel Lärm um nichts. Dabei hatten sich beide, Franzosen wie Italiener, im Vorfeld doch soviel Mühe gegeben. Revanche, Vendetta, die üblichen, unsinnigen Vokabeln, bis zum Abgewöhnen wiederholt von der Sportpresse beider Länder - die dann unisono das Publikum im Mailänder Meazza-Stadion verdammte. Die 80000 in der ausverkauften Arena von San Siro hatten nämlich die Marseillaise ausgepfiffen. Gellend, ohrenbetäubend und peinlich. Aber vielleicht nicht peinlicher als das enervierende Gockelgehabe von Raymond Domenech und einiger seiner Spieler, die die Italiener vor dem Spiel als Schieber, Schwalbenkönige und Provokateure bezeichnet hatten, als Finsterlinge, die besser mauscheln können als Fußball spielen.

Der Trainer der Bleus heimste sich dafür eine Sperre der Uefa ein - sein Landsmann Michel Platini schickte ihn im Meazza-Stadion auf die Tribüne. Zuvor war Domenech jedoch vom Verband der italienischen Müllmänner auf ihrer Jahreshauptversammlung in Pesaro als "größter Abfall des Jahres 2007" ausgezeichnet worden. So pflegt man gut nachbarliche Beziehungen. Übrigens trug Marco Materazzi, der wegen Verletzung nicht mitspielte, im Stadion ein T-Shirt mit dem Aufdruck: Ich liebe Paris. "Hoffentlich gibt es dieses Gerangel zwischen Italien und Frankreich noch lange", sagte in einem Anfall geistreicher Eleganz Monsieur Domenech. "Das ist doch nur Folklore und zeigt, dass unsere beiden Mannschaften die besten in Europa sind."

In Mailand war davon aber nicht viel zu sehen. In einer Partie ohne Tore, ohne Spektakel und ohne große Chancen setzten die Franzosen ziemlich unverblümt auf ein Remis - und erhielten es, ohne sich dafür zu verausgaben. Die Italiener hingegen trauten sich nicht, das 1:3 im vorigen September auszuwetzen. Roberto Donadoni, der es als Nachfolger von Weltmeistercoach Marcello Lippi an Energie, Durchsetzungsvermögen, und Ergebnissen fehlen lässt, schickte für die operazione vendetta als einzigen Stürmer den immergrünen Filippo Inzaghi auf's Feld, nachdem der ursprünglich gesetzte Luca Toni wegen einer Verletzung ausgefallen war.

Inzaghi ist durchaus gefährlich, spielt aber derart hart an der Abseitslinie, dass er stets auf die Versorgung aus dem Mittelfeld angewiesen ist. Folgerichtig zog Donadoni das Mittelfeld nach hinten. Das Ergebnis: Inzaghi versauerte vorne, brachte außer einem Lattenschuss nicht viel zuwege - und hinten war selbst Alessandro Del Piero damit beschäftigt, dem wenig konstanten Franck Ribéry den Ball abzujagen. In der 65. Minute tauschte Donadoni dann den erschlafften Inzaghi gegen Cristiano Lucarelli aus. Man hätte sich gewünscht, die beiden von Anfang an zusammen spielen zu sehen. Der listige Berlusconi-Liebling Inzaghi und der wackere Kommunist Lucarelli vom ukrainischen Klub Schachtjor Donesk - das hätte ein Spaß werden können! Aber mit Spaß hat der immer sauertöpfisch wirkende Donadoni nicht viel im Sinn. Stattdessen gab es Szenen mit sieben Italienern gegen drei Franzosen. Und die Abschlussbilanz des Trainers: "Wir haben uns immerhin gegen Frankreich geschlagen. Wir hatten auch ein paar Chancen, und gegen Ende waren wir halt erschöpft."

"Wir hätten die Franzosen viel stärker unter Druck setzen müssen"

Der Mann ist die Inkarnation des italienischen Staatsangestellten. Ein Nationaltrainer, der Dienst nach Vorschrift macht. Und der am Mittwoch gegen die Ukraine alles auf eine Karte setzen muss. Wenn die Italiener dann nicht gewinnen, ist die EM-Qualifikation für den Weltmeister gelaufen. Wie zuletzt 1984. "Wenn wir es nicht schaffen, wird es nicht an diesem einen Punkt gegen Frankreich gelegen haben", tröstete zwar Torwart Gigi Buffon, neben Fabio Cannavaro der beste Azzurro auf dem Platz. Kapitän Cannavaro aber wurde deutlicher: "Wir hätten die Franzosen viel stärker unter Druck setzen müssen."

Tatsächlich wagte Frankreich in der ersten halben Stunde kaum einen Schritt in die gegnerische Hälfte. Die Italiener indes waren derart nervös, dass Mauro Camoranesi Eric Abidal sogar bei einem Einwurf foulte - eine Attacke, die der slowakische Schiedsrichter Lubos Michel eigentlich mit Gelb hätte ahnden müssen. Erst kurz vor der Pause zogen Nicolas Anelka und Florent Malouda auf das Tor der Italiener. Malouda erwies sich als gefährlichster Spieler der Franzosen.

Nur Cannavaro, Anrdea Pirlo und der Franzose Patrick Vieira zeigten Einsatz

Zu Beginn der zweiten Halbzeit kam etwas Bewegung in die ansonsten geradezu unverschämt langweilige Partie, bevor man vereint dem Schlusspfiff entgegenschlich. Nur Cannavaro, Anrdea Pirlo und der Franzose Patrick Vieira zeigten unvermindert Einsatz, vergebens.

Frankreich bleibt unangefochten Gruppenerster. Für den Dritten, Italien, geht es gegen die Ukraine um Sein oder Nichtsein. Und vielleicht auch für Roberto Donadoni.

© SZ vom 10.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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