Irische Fans:Der Reifenwechsel fällt aus

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Die Iren fiebern dem Achtelfinale entgegen. Doch ihnen fehlen im Stadion ihre wichtigsten Männer: die Fans.

Von Filippo Cataldo, München

Vor dem wichtigsten Spiel ihrer Geschichte bei Europameisterschaften ist die irische Nationalmannschaft ihrer größten Stärke beraubt worden. Am Sonntag trifft Irland in Lyon auf Frankreich (15 Uhr, ZDF). Den Franzosen auf dem Rasen beizukommen, wird für die Iren schon schwer genug.

Doch auch auf den Rängen werden die Boys in Green aller Voraussicht nicht die Platzhoheit für sich reklamieren können - es dürfen schlicht zu wenige von ihnen ins Stadion. Gerade mal 3500 bis 4000 der 58 000 Menschen im Stadion werden für die Iren singen. Mehr Karten haben die Organisatoren nicht herausgerückt an den irischen Verband.

Die Erfolgsgeschichte der Iren bei der EM hat natürlich etwas mit dem umjubelten späten Treffer von Robbie Brady gegen Italien zu tun, der Irland das Achtelfinale schenkte. Dass dieser Umstand auch außerhalb der Insel überaus wohlwollend registriert wurde, hat allerdings vor allem mit den sangesfreudigen Fans zu tun. Dem stumpfen Nationalismus anderer Fangruppen - ganz zu schweigen von den Ausschreitungen zu Beginn des Turniers - begegneten die Iren mit Humor und Hilfsbereitschaft.

Beim Feiern sind alle Iren Nummer eins in Frankreich

Videos, in denen die Iren kurzerhand Senioren beim Reifenwechsel halfen oder eine Baby im Zug in den Schlaf sangen, gingen um die Welt. Übrigens spielt es da keine Rolle, ob es sich bei diesen grüngekleideten Fans um Bewohner der Republik Irlands oder Nordirlands handelt: beim Feiern sind alle Iren die Nummer eins in Frankreich. Und sie haben die höchsten Sympathiewerte.

Als der irische Trainer Martin O'Neill (übrigens ein Nordire) den Sieg gegen Italien zu einem großen Teil den Fans zuschrieb ("Sie waren unglaublich. Sie haben dafür gesorgt, dass wir marschiert sind. Die Spieler haben davon in der Kabine gesprochen") war das weit mehr als eine Floskel. Ohne ihre Boys in Green sind die Kicker deutlich weniger wert. "Wir alle sind sehr traurig, dass nicht mehr irische Fans zum Spiel kommen dürfen. Es war zu erwarten, dass die Heimmannschaft ein paar Tickets mehr bekommen würde, aber dieser Unterschied ist einfach zu groß", sagte Roy Keane, der Co-Trainer Irlands. "Das ist nicht fair. Vor allem, wenn man bedenkt, wie viele irischen Fans nach Frankreich gereist sind und was sie dem Turnier bis jetzt gegeben haben."

Roy Keane hatte gehofft, es würde 20 000 Iren im Stadion sein

Keane, für mehr als eine Dekade bei den Gegnern äußerst gefürchteter Weltklasse-Mittelfeldabräumer bei Manchester United, scheint mittlerweile auch als eine Art Fanbetreuer unterwegs zu sein. Aber mit seiner Analyse traf er einen Punkt. "Ich hatte gehofft, dass wir 15 000 oder 20 000 unserer Jungs im Stadion haben würden. Aber wir können es nicht ändern", sagte er.

Also müssten die Spieler eben mit anderen Mitteln versuchen, die Franzosen zu besiegen. "Sie stehen unter enormen Druck, die Erwartungen sind riesig. So können wir einen Fuß ins Spiel bekommen. Was wir den Spielern sagen? Setzt sie unter Druck, stellt ihnen ein Bein, grätscht, schießt den Ball in ihren Strafraum, kämpft, ringt sie nieder", sagte Keane. Womit er wieder beim Thema war: "Ich bin mir sicher, dass es ein Lied dazu gibt."

© SZ vom 26.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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