Interview:Männer und ihre Begierden

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Ein iranischer Mullah über Fußball im Gottesstaat und die Frage, ob ein guter Moslem dem Gegenspieler von hinten in die Beine grätschen darf.

Interview: Bruno Ziauddin

Taha Hashemi lehrt an der Teheraner Azadan-Universität Islamische Theologie und ist als Arzt zugelassen. Der Mullah, einst Abgeordneter, gilt als gemäßigt konservativ. Am Sonntag spielt Iran in Frankfurt gegen Portugal; erneut wird Vizepräsident Mohammed Aliabadi als Gast erwartet.

"Ich denke nicht, dass der Anblick eines Fußballers in kurzen Hosen genügt, um eine Frau in Wallung zu versetzen. Anders verhält es sich im umgekehrten Fall." (Foto: Foto: dpa)

SZ: Schauen sie sich die WM-Spiele der iranischen Mannschaft an?

Hashemi: Wann immer es meine Zeit erlaubt. Zunächst habe ich unsere Gruppe mit Portugal, Mexiko und Angola für eher einfach gehalten. Aber im modernen Fußball gibt es keine leichten Gegner.

SZ: Einige Ihrer Kollegen sagen, Fußball verleite zu Müßiggang.

Hashemi: Nun, der Islam ist eine Religion des Gleichgewichts. Er betrachtet es als etwas Natürliches, Körper und Geist zu trainieren. Auch für die Unterhaltung muss im Leben eines Menschen Platz sein. Doch was wäre besser: eine Gesellschaft, die sich gänzlich auf den Sport konzentriert, oder gänzlich auf die Wissenschaften? Möglicherweise war es diese Sorge um das richtige Maß, welche Einzelne meiner Kollegen zu ihrer Kritik bewog.

SZ: Wird die Jugend durch den Fußball mit westlichen Werten und Verhaltensweisen infiltriert?

Hashemi: Ist alles, was aus dem Westen kommt, schädlich? Mohammed lehrt uns, das Gute zu übernehmen und das Schlechte abzulehnen.

SZ: Darf ein iranischer Fußballer gegen Ungläubige antreten?

Hashemi: Ich sehe nicht, was dagegen sprechen könnte.

SZ: Und gegen Juden?

Hashemi: Es gibt im Iran sogar Vereine mit jüdischen Spielern. Wir lehnen es nur ab, gegen Israel zu spielen. Dies hat nichts mit dem Glauben der Leute zu tun, sondern damit, dass wir Israel nicht als legitimen Staat sehen.

SZ: In den iranischen Stadien werden zu Ehren der Spieler fromme Gesänge angestimmt, die eigentlich Ali, dem ersten Imam der Schiiten, gelten. Ist das nicht respektlos?

Hashemi: Wir ermutigen die Zuschauer nicht dazu. Doch ist solches Tun nichts weiter als eine Gewohnheit. Meines Wissens bekreuzigt sich auch Ronaldinho vor jedem Match.

SZ: Boxen und Kung Fu sind im Islam verboten, weil es der Scharia widerspricht, jemanden zu verletzen. Darf ein guter Moslem dem Gegenspieler von hinten in die Beine grätschen?

Hashemi: Zwischen einem Foul und dem potenziell tödlichen Fausthieb eines Boxers besteht ein Unterschied. Der Schiedsrichter verfügt über gelbe und rote Karten. Überlassen wir die Maßregelung der Fußballer also ihm.

SZ: Präsident Ahmadinedschad wollte Frauen den Besuch von Fußballspielen erlauben, der oberste Führer lehnt dies jedoch ab. Wer hat Recht?

Hashemi: Im Prinzip war es richtig, dass der Staatspräsident dieses Thema aufgegriffen hat, denn wir sollten den Frauen ihre Rechte nicht vorenthalten. Leider bedienen sich die männlichen Zuschauer nach wie vor eines sehr vulgären Vokabulars. Bevor wir Frauen Einlass in die Stadien gewähren, müssen wir darauf hinarbeiten, dass dies sich ändert.

SZ: Ist es für sie wenigstens statthaft, die WM am Fernsehen zu sehen?

Hashemi: Wieso nicht?

SZ: Weil kurze Hosen gegen die islamische Kleiderordnung verstoßen.

Hashemi: Ich denke nicht, dass der Anblick eines Fußballers in kurzen Hosen genügt, um eine Frau in Wallung zu versetzen. Anders verhält es sich im umgekehrten Fall.

SZ: Warum?

Hashemi: Die unterschiedlichen Kleidervorschriften beruhen nicht auf einer Diskriminierung der Frau, sondern auf biologischen Fakten. Die Begierde des Mannes lässt sich nun einmal viel einfacher entfachen als jene der Frau. Das ist eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache, die sich nicht leugnen lässt. Als promovierter Mediziner darf ich mir dieses Urteil erlauben.

© SZ vom 17.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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