Innsbruck:Parodie eines Absprungs

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Lars Bystoel gewinnt das Skispringen in Innsbruck. Die deutsche Mannschaft erlebte ein Debakel. Martin Schmitt wurde nicht für Bischofshofen nominiert und muss abreisen.

Thomas Hahn

Jakub Janda aus Tschechien nahm eine Lehre mit vom dritten Skispringen der 54. Vierschanzentournee am Innsbrucker Bergisel, und diese Lehre dürfte ihm ziemlich gut gefallen. Denn sie bedeutet ihm, dass er auch gewinnen kann, wenn er nicht siegt. Er hatte Platz zwei belegt, eingerahmt von zwei Norwegern, Tagessieger Lars Bystoel und Björn Einar Romoeren, und hatte sich dennoch auf Platz eins gesetzt mit seinem mächtigen zweiten Satz auf 133 Meter, auf Platz eins im Gesamtklassement.

Kann sich freuen: Lars Bystoel gewann in Innsbruck. (Foto: Foto: dpa)

Janne Ahonen, der Titelverteidiger, sein großer Konkurrent um die Krone der Tournee, hatte nämlich als Sechster des Tages wertvolle Meter eingebüßt. Vor dem abschließenden Wettkampf am Dreikönigstag in Bischofshofen mit Qualifikation am heutigen Donnerstag (jeweils 16.30 Uhr, RTL) liegt also Janda auf dem Spitzenrang, zwei Punkte vor dem Finnen. Und natürlich sehr weit entfernt von den deutschen Skispringern, die einen schwarzen Tag erlebten mit Georg Späth als ihrem Besten auf Rang 13 und nunmehr Platz acht in der Gesamtwertung.

Der Zweikampf zwischen Janda und Ahonen ist damit so unentschieden wie zuvor, und so hat man vorerst nur feststellen können, dass dem Rest des Feldes bei dieser Tournee langsam die Hoffnungen ausgehen. Auch den Österreichern, die in Innsbruck zwischenzeitlich sogar auf einen Sieg hoffen durften, weil der junge Thomas Morgenstern seine Krise überwand und nach dem ersten Durchgang auf Platz eins lag. Am Ende fehlten sie wieder bei der Siegerehrung und verpassten damit die Chance, nachhaltig auf sich aufmerksam zu machen mit ihrem stattlichen, aber doch irgendwie unspektakulären Mannschaftsergebnis:

Lob oder Schelte?

Zehn Starter hatten sie im Hauptfeld, sechs davon erreichten das Finale der besten 30, aber unter die ersten Zehn schaffte es nur Morgenstern als Vierter. Vor allem aber sind nun die deutschen Teilnehmer um ihre letzten Illusionen ärmer, denn sie konnten nicht nur nichts für ihr Ansehen tun, sondern erlebten vor Millionen Fernsehzuschauern ein richtiges kleines Debakel.

Man hat sich bisher ohnehin die ganze Zeit die Frage stellen müssen, was man eigentlich anfangen soll mit diesem bemühten Geschwader des Bundestrainers Peter Rohwein. Sollte man es schelten für seine verpassten Podestplätze? Sollte man es loben, weil seine Besten, Michael Uhrmann und Georg Späth, sich im dichten Feld der Weltklasse verlässlich unter den ersten Zehn platzierten?

Aber diesmal war die Tendenz klar: Schelte war angesagt, und zwar schon nach der Qualifikation, denn schon dort kamen sie überhaupt nicht voran. Abgesehen von Alexander Herr aus Schonach, der sich nach seinem vierten Platz im Prolog mit stattlichen 126,5 Metern so wohl fühlte am Bergisel, dass er das Innsbrucker Schanzenstadion ganz unbescheiden "fast mein Wohnzimmer" nannte.

Der Rest hatte beträchtlichen Abstand, vor allem Michael Uhrmann, der Bremsklötze an seinen Ski zu tragen schien, so langsam war er in der Anlaufspur. 103 Meter, Platz 79 - das war schon ein bisschen mehr als eine Ernüchterung; wenn er nicht als Weltcup-Vierter vorgemerkt gewesen wäre, hätte ihn dieser sparsame Hüpfer die Teilnahme am Wettkampf gekostet.

Und dann war da ja auch noch das nächste Kapitel in der scheinbar unendlichen Krisengeschichte des früheren Weltmeisters Martin Schmitt, der am Schanzentisch nur die gut gemeinte Parodie eines Absprungs zeigte und damit wie schon in Garmisch-Partenkirchen die Qualifikation verpasste. Rohwein gab sich äußerlich gelassen und verkündete, dass Schmitt im Tournee-Team bleibe ("Da gibt es gar keine Diskussion"), ehe er ihn am Donnerstag doch heim schickte, zum Trainieren.

Und so unerfreulich ging es im Wettkampf weiter: Bergisel-Bewohner Herr sah sich plötzlich wieder in irgendein Fremdgebäude versetzt und scheiterte im K.o.-Duell mit dem Japaner Takanobu Okabe. Der deutsche Hinterbänkler Michael Neumayer startete immerhin als 23. in den zweiten Durchgang, ehe er im zweiten den Absprung verschlief und auf Rang 28 zurückrauschte.

Nichts zu beschönigen

Den umgekehrten Weg nahm Uhrmann, rettete sich mit knapper Not in den zweiten Durchgang, kämpfte dort um jeden Meter und verbesserte sich von Platz 28 auf 24. So konnte auch Georg Späth nichts mit der Ehre anfangen, bester Deutscher des Tages zu sein. Er schüttelte den Kopf, er wurde Zwölfter, und oben am Turm rollte Peter Rohwein resigniert sein Deutschland-Fähnchen ein. "Es gibt nichts zu beschönigen", sagte er. "Wir haben nicht gezeigt, wozu wir in der Lage sind."

Mit staunenden Augen können die Deutschen jetzt nur noch zuschauen, was die anderen machen, vor allem die Beherrscher dieser Serie, Janda und Ahonen, die am Bergisel zunächst sogar im direkten Vergleich aufeinander trafen. Weil Janda die Qualifikation geschwänzt hatte, Ahonen sie dagegen gewonnen hatte, bildeten sie das letzte K.o.-Duell.

Ahonen gewann bei bescheidenen Windverhältnissen mit 124,0 zu 123,5 Metern, was mancher schon als Zeichen deuten mochte, wer der Stärkere sei von den beiden. Doch ein paar Sprünge später war wieder alles anders, und das Rätsel blieb, ob der Finne besser fliegen kann oder der Tscheche.

© SZ vom 5.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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