Hoyzer packt aus:Ein Netzwerk des Betruges

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Mit Durchsuchungen von vier Objekten in Berlin und der vorläufigen Festnahme zweier Männer hat der Skandal um den Fußball-Schiedsrichter Robert Hoyzer einen neuen Höhepunkt erreicht. Zuvor hatte Hoyzer vor der Staatsanwaltschaft angegeben, dass weitere Schiedsrichter und auch Spieler in den Betrug verwickelt seien. Von Thomas Kistner und Hans Leyendecker.

Der wichtigste Anruf, den Stephan Holthoff-Pförtner am Tag des Geständnisses seines Mandanten Robert Hoyzer tätigte, führte ins Büro des Berliner Generalstaatsanwalts beim Landgericht, Hansjürgen Karge, 63.

Die Polizei durchsuchte am Freitagabend das Café, das Hoyzer und seinen Kontaktmännern als Treffpunkt gedient haben soll. (Foto: Foto:)

Ihm avisierte Anwalt Holthoff-Pförtner für den gestrigen Freitag den Besuch seines Mandanten, er selbst könne nicht kommen, weil er Freitagmorgen einen Termin in Frankfurt habe. Hoyzer werde vom Essener Anwaltskollegen Thomas Hermes begleitet. Ansonsten beschlossen die Herren, Diskretion zu wahren.

Auch in dem Verfahren gegen den Fernsehmoderator Michel F., in dem es um dessen Verstrickung ins Rotlichtmilieu ging, seien Details der Ermittlungen nicht publik geworden, soll Karge - wie aus Berliner Justizkreisen verlautete - dem Anwalt erklärt haben.

"Mit allem feuern, was das Strafrecht hergibt"

Chefermittler Karge, Zimmer 519 in der Moabiter Turmstraße, ist seit fast zehn Jahren Leiter der größten deutschen Anklagebehörde. Er nennt sich selbst einen "Querkopf", beim Amtsantritt 1995 stellte er sich als "Panzerkreuzerkapitän" vor: "Wir werden mit allem feuern, was das Strafrecht hergibt."

Der aus Hessen stammende Strafverfolger, den Zeit-Mitherausgeber Michael Naumann in einer Talkshow als "durchgeknallten" Ermittler bezeichnete, war 2002 von der Berliner Justizsenatorin abberufen worden. Vorm Berliner Verwaltungsgericht erkämpfte er seine Rückkehr. Dass der General im Fall Hoyzer selbst die Ermittlung leitet, ist ungewöhnlich - und wahrscheinlich Karges letzter großer Fall.

Alles in der Zweiten Liga

Zumindest sein Verschwiegenheitsprinzip pflegte der Hardliner auch gestern beharrlich. Und das, obwohl Hoyzer bei der Ermittlungsbehörde ausgepackt hatte. Aus dessen Berliner Umfeld, das weiterhin als gut informiert gelten darf, wurde lanciert, dass Hoyzer angeblich dabei gewesen sei, als Schiedsrichter Geld bekamen von Wettbetrügern.

In dem Zusammenhang habe er auch von Zahlungen an Spieler erfahren. Es handle sich insgesamt um eine Anzahl von Mittätern im einstelligen Bereich, wobei sich alles im Bereich Zweite Liga abgespielt habe. Anwalt Holthoff-Pförtner lehnte jeden Kommentar zu Aussagen seines Mandanten ab.

Keine Detailkenntnisse

Anzunehmen ist jedoch, dass der 25-Jährige keine Detailkenntnisse haben kann, die über sein Berliner Szene-Biotop, die unter kroatischer Führung befindliche Sportkneipe "Cafe King", hinaus gehen. Insofern werden die Ermittler, an seine Aussagen anknüpfend, weitere Personen einvernehmen müssen.

Dies gilt auch für den DFB, der weit reichende Untersuchungen angekündigt hat und dabei auch nach auffälligen Spielsituationen in der jüngeren Vergangenheit forschen muss. Dies um so mehr, nachdem er gestern unter großen Erklärungsdruck geraten ist: Die Hinweise, die die staatliche Lotterie Oddset bereits im August auf zwei mutmaßlich von Hoyzer verschobene Spiele geliefert hatten, waren wesentlich konkreter als bisher dargestellt.

Die Spuren könnten von Berlin aus in ein bundesweites Netzwerk von Wettbetrügern führen, besonders in den Fußball-Ballungsraum Nordrhein-Westfalen. Dort ermittelt bereits die Staatsanwaltschaft Duisburg in der Zweitliga-Partie Aue gegen RW Oberhausen (2:0) vom 18. Dezember 2004, bei der es zu seltsamen Wettmustern und merkwürdigen Toren gekommen war.

In Oberhausen wie anderswo waren Profis unterwegs, denen wiederholt in entscheidenden Szenen das Pech (mit Eigentoren, krassen Schnitzern, verschuldeten Elfmetern) etwas extrem an den Kickstiefeln klebte.

Zwei Festnahmen

Nach Holzers Vernehmung kam gestern viel Bewegung in den Fall: Vier Objekte in Berlin wurden polizeilich durchsucht, zwei Männer wurden vorläufig festgenommen. Dies sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald, am Abend vor dem einschlägig bekannten Café King in Charlottenburg. Berichte, wonach es sich dabei um den Café-Besitzer und dessen Bruder handelte, wollte Grunwald allerdings nicht bestätigen

Derweil entwickelte der durch Hoyzers Ankündigung von Verstrickungen "vieler weiterer" Personen unter Generalverdacht geratene Profibetrieb hektische Betriebsamkeit. Der DFB-Schiedsrichterausschuss nahm kurzfristig einen Ringtausch für die Partien der ersten Bundesliga vor, teilte Eugen Strigel, stellvertretender Schiedsrichter-Obmann, mit.

Auch Strigel haben Hoyzers Ankündigungen verunsichert: "Ich habe ja schon diesen einen Fall nie für möglich gehalten. Deswegen werde ich mich bezüglich weiterer Überraschungen lieber zurück halten." Im Schiedsrichter-Ausschuss sei man jedenfalls "gespannt, wie es in Hoyzers ganz engem Umfeld ausschaut, mit seinen eigenen Assistenten und so weiter".

Einen dieser Berliner Kollegen, Schiedsrichter Dominik Marks, hatten er und seine Kollegen bereits am Donnerstag angehört. Sie teilten den Eindruck des DFB-Kontrollausschussvorsitzenden, den Horst Hilpert so darstellte: Marks stünde aus seiner Sicht nicht unter Verdacht.

Einzeltäter-These zerbröselt

Generell aber ist die Einzeltäter-These, an die sich die DFB-Funktionäre so lange klammerten, längst zerbröselt. Selbst Georg Adolf Schnarr, der DFB-Bundesgerichtsvorsitzende, glaubt nun an eine Beteiligung des organisierten Verbrechens. Wenn sich Wettmanipulationen lohnen sollten, müssten sie in großem Stil ablaufen. Diese Geschichte müsse organisiert sein, sagte Schnarr der Stuttgarter Zeitung.

Das sieht auch Anwalt Holthoff-Pförtner so, der seinen Mandanten in einem Umfeld sieht, "das ich als nicht lustig bezeichnen würde - dass Leute ihre Interessen dort anders durchsetzen als über Zivilklagen".

Deshalb habe er die Staatsanwaltschaft auch schon auf die eventuelle Notwendigkeit eines Personenschutzes für Hoyzer hingewiesen: "Die Beurteilung der Gefährdung überlassen wir ihr." Die Reaktionen bis Freitagnachmittag zeigten vor allem eines: Von einem organisierten kriminellen Treiben gehen immer mehr aus. "Da wird noch einiges mehr hochkommen", sagte Oddset-Marketingleiter Wolfgang Feldner dem sid.

© SZ vom 29.01.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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