Hoffenheim besiegt den HSV 2:0:Näher am Abgrund

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Immer einen Schritt zu spät: Hamburg läuft - hier in Person von Luca Waldschmidt - den Hoffenheimern um Havard Nordtveit überwiegend hinterher. Und verliert folgerichtig mit 2:0. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Das Mini-Hoch des Hamburger SV ist schon wieder beendet. Bei den derzeit unwiderstehlichen Hoffenheimern hat der Vorletzte der Liga keine Chance, auch nur einen Punkt zu stibitzen.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Für Christian Titz war der Auftritt bei der TSG Hoffenheim fast ein Heimspiel. Der neue Trainer des Hamburger SV ist im nahen Mannheim geboren und aufgewachsen, Freunde und Eltern waren am Samstagnachmittag ins ausverkaufte Stadion der TSG gekommen, aus Hamburg rund 3000 Fans in die Kurpfalz gereist. Am Ende applaudierten diese ihrem Team zwar - aber es war eher als Aufbauhilfe gedacht nach einer 0:2 (0:2)-Niederlage, die den HSV dem ersten Abstieg in die zweite Liga ein Stück näher gebracht hat.

Nur noch vier Spiele sind zu spielen, der HSV steht auf dem vorletzten Tabellenplatz und hat aktuell fünf Punkte Rückstand auf Mainz 05, auf Relegationsrang 16 und acht auf den SC Freiburg auf dem ersten Nichtabstiegsrang. Gewinnt Mainz am Montag zum Abschluss dieses Spieltages gegen Freiburg, würde das die Chancen der Hamburger auf den Klassenerhalt weiter verschlechtern. Titz, seit vier Spielen im Amt, sieht diese Gefahr, aber er wird dafür bezahlt, Optimismus zu verbreiten. Also sagte er: "So lange es rechnerisch noch möglich ist, werden wir uns nicht aufgeben."

Die mutige Handschrift von Titz war auch in Hoffenheim zu sehen. Doch der Aufschwung kommt spät, vielleicht zu spät, nachdem der HSV den Trainer Markus Gisdol zunächst durch Bernd Hollerbach ersetzte und so viel Zeit und Punkte verlor. Titz holte bislang vier Zähler, nachdem er vom U21-Trainer zum Chefcoach der Profis befördert wurde. In Hoffenheim spielte der HSV nicht wie ein Absteiger, aber gegen einen derzeit unwiderstehlichen Gastgeber hatte er auch nie eine Chance auf einen Punktgewinn. In einer furiosen ersten Halbzeit hätte die Elf von TSG-Trainer Julian Nagelsmann viel höher als 2:0 nach den Toren von Serge Gnabry (18.) und Adam Szalai (27.) führen müssen.

Der HSV kann Gnabry nicht stoppen

Die Hoffenheimer sind nun seit sieben Spielen ungeschlagen und rückten durch den Erfolg wenigstens für eine Nacht auf den fünften Platz vor. Besser als in den vergangenen Wochen hat diese Elf in dieser Runde nie gespielt. In der aktuellen Form ist Serge Gnabry ein Kandidat für Deutschlands WM-Kader, auch Bundestrainer Joachim Löw auf der Tribüne sah eine erneut starke Leistung dieses Tempodribblers, der in der neuen Saison nach seiner einjährigen Leihe zum FC Bayern wechseln wird. In den vergangenen sechs Spielen traf Gnabry sechs Mal. Für HSV-Trainer Titz war der 22-Jährige "der Unterschiedsspieler". Gnabrys Auswechslung (57.) wegen Problemen in der Oberschenkelmuskulatur war eine Vorsichtsmaßnahme.

"Vielleicht wird Serge ja noch die Überraschung im WM-Kader", sagte Hoffenheims Sportdirektor Alexander Rosen. Und auch Linksverteidiger Nico Schulz bewies erneut, dass er auf seiner Position zu den Besten der Liga gehört. Die Hoffenheimer spielen nach einer Saison mit Höhen und Tiefen mit dem bitteren Aus nach der Gruppenphase in der Europa-League zum Saisonende immer stärker auf und Rosen erklärte: "Wir wollen in den Europapokal und haben den Ehrgeiz, es dann in der nächsten Saison besser zu machen. Wir bleiben auf dem Gaspedal." Ein Sieg am nächsten Wochenende in Leipzig bei einem direkten Konkurrenten würde die Ausgangslage im Kampf um die Europapokalränge weiter verbessern.

TSG-Coach Nagelsmann flachst wieder

Trainer Nagelsmann führt den Aufschwung auf das gestiegene Selbstvertrauen und eine stabilere Defensive zurück. Und auch dass in Niko Kovac nun der Nachfolger von Jupp Heynckes als Trainer beim FC Bayern in der kommenden Saison feststeht, erfreut den 30 Jahre jungen Mann. Im Herbst noch war Nagelsmann Gegenstand der Spekulationen um die Heynckes-Nachfolge. Am Samstag sagte Nagelsmann vor dem Anpfiff zur Kovac-Verpflichtung der Bayern, die am Freitag offiziell bestätigt wurde: "Ich kann nichts dazu sagen. Ich war bei keinem Treffen dabei. Jetzt kann ich auch wieder etwas Rotes anziehen, ohne dass jeder gleich spekuliert, deshalb macht mich das glücklich." In Hoffenheim läuft's wieder, der Trainer flachst, und eine erneute Europapokalteilnahme wäre eine außerordentliche Leistung.

Der Ligaverbleib des HSV wäre bei noch vier ausstehenden Spielen (gegen Freiburg, in Wolfsburg und Frankfurt sowie gegen Gladbach) ein großes Fußballwunder. Trainer Titz strahlt dennoch weiter Hoffnung aus. Mut habe ihm der Auftritt seiner Elf in der zweiten Halbzeit gemacht, sagte er: "Die Mannschaft hat sich nicht aufgegeben und versucht im Spiel drinzubleiben." Das traf zu. Und auch Zusammenhalt und Ordnung waren zu erkennen, der Tabellenletzte Köln hatte sich vor zwei Wochen im gleichen Stadion noch sechs Tore eingefangen. Allerdings: Bei den Gegentoren verteidigten die Hamburger amateurhaft. Beim 1:0 ließ sich der junge Verteidiger Rick van Drongelen den Ball von Gnabry abluchsen, vor dem 2:0 für Hoffenheim durch Adam Szalai ließen sich Gotoku Sakai und Lewis Holtby von Schulz düpieren wie Anfänger. Und dass ein Talent wie Tatsuya Ito, 20, nicht jede Woche glänzen kann wie zuletzt beim Sieg gegen Schalke (3:2), ist auch eine erwartbare, aber schmerzliche Erkenntnis. Der kleine Außenstürmer war ab Minute 60 mit seinen Kräften am Ende.

© SZ vom 15.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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