Hilde Gerg:Zurück ganz oben

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Hilde Gerg gewinnt erstmals wieder nach ihrem Kreuzbandriss.

Veysonnaz (SZ) - Schon vier Mal auf dem Podest in dieser Saison und nie schlechter als Fünfte: Eine, die das schafft, braucht nicht dringlich eine weitere Bestätigung ihrer Zugehörigkeit zur Weltelite. Aber: "Ein Winner ist halt doch was anderes", sagt Wolfgang Maier, alpiner Frauen-Cheftrainer des Deutschen Skiverbandes. Siege tun gut , speziell solchen Menschen, die zwischendurch mal auf die Schattenseite verbannt gewesen waren, zurück geworfen, herausgerissen durch herbe Schchläge. Wie Hilde Gerg, 28, in ihrer früheren Karriere als Slalomfahrerin vor sechs Jahren Olympiasiegerin, seitdem wiederholt schwer verletzt. "Jetzt bin ich im Endeffekt wieder da, wo ich einst war", hat sie am Sonntag im Walliser Veysonnaz vermeldet. Wieder an Platz eins, Gewinnerin des Super-G vor der Österreicherin Michaela Dorfmeister.

Wieder da, wo sie mal war: Zuletzt am 6. Dezember 2002 in der Abfahrt von Lake Louise als Schnellste von allen. Einen Tag später riss auf derselben Piste das Kreuzband in ihrem Knie. Sie fuhr nach zweiwöchiger Pause jene Saison zu Ende, "denn das Knie hält ja gut", versicherte sie, und zusätzliche Risiken entstünden nicht, versicherten die Mediziner, und selbst in diesem Status sprangen ja noch zwei Plätze auf dem Podest (sechs unter den Top Ten) heraus. Sie realisierte aber, dass sie in Extremsituationen "wie Sprüngen, Kurven mit hohem Tempo und unruhiger Piste" nicht über die letzte Sicherheit verfügte und deshalb nicht ans Maximum ging. Also lautete das Programm für März: Operation statt Weltcupfinale, mit den üblichen Konsequenzen: harte Arbeit in der Rehabilitation, freudig registrierend die kleinsten Fortschritte. Notiz vom April: "Jetzt wage ich mich an die ersten Steigungen beim Gehen heran, aufwärts klappt es schon ganz hervorragend."

Abwärts dauerte es, und bergab auf Ski ein paar Wochen später war auch wieder eine Lehrzeit für sie, die schon mal Meisterin war: Sie habe irgendwie nicht mehr genau gewusst, wie ein Schwung zu fahren sie, gestand sie. Sie hatte dieses Wissen aber bald wieder aufpoliert, so gut, dass zum Auftakt der Speedsaison aus Lake Louise die Plätze zwei, fünf drei für sie gemeldet werden konnten und von ihr die erleichterte Botschaft: "Das ganze harte Rehatraining hat sich jetzt schon bezahlt gemacht." Leichte Gewöhnungsprobleme hatte sie gleichwohl nicht verschwiegen: "Es war nicht leicht, wieder voll ans Limit zu gehen."

Nochmal Abfahrts-Zweite in St. Moritz und wieder am vergangenen Samstag in Veysonnaz (gemeinsam mit Michaela Dorfmeister hinter Renate Götschl, die gestern stürzte, aber unverletzt blieb): "Wenn man dreimal Zweite wird, ist man eine absolute Spitzenathleten" - und müsse sich nichts mehr beweisen, sagt Chefcoach Maier. Muss nicht, und die Resultate können sich ja durchaus sehen lassen", pflichtete Hilde Gerg bei. "Aber wenn man gut in Form ist, dann will man auch gewinnen." Für den sicheren Platz unter den besten Zehn reiche es für eine Athletin von ihrem Niveau und ihrer Erfahrung normalerweise immer. "Aber um zu gewinnen, muss man auch was riskieren.Dass man sich das auch wirklich traut, dafür gibt es keine Garantie. Man hat auch schon Mädels gesehen, wo das nicht mehr klappte."

Bei ihr nun wieder, endlich: Sie hatte nach dem neuerlich zweiten Platz vom Vortag ernsthaft das Vorhaben gefasst: "Versuche anzugreifen! Dass mir das geklungen ist, ist das Wichtigste. Dass es auch zum Sieg gereicht hat - besser." Eben doch eine Bestätigung, "wichtig für ihr Selbstvertrauen", sagt Wolfgang Maier. "Sie hat es redlich verdient, nachdem sie immer Spitzenleistungen gebracht hat, sie war jetzt auch mal wieder reif für so was." Hilde Gerg führt im Abfahrtsweltcup, ist Zweite in der Wertung für den Super-G: wieder da, wo sie schon mal war. Wieder die absolute Topfahrerin? "So weit wie die Götschl ist sie noch nicht", schränkt Maier ein, die Österreicherin hat in diesem Winter immerhin schon drei Mal gewonnen. Aber diese Einordnung ist kein Makel, denn andererseits ist die Gewinnerin vom Sonntag unzweifelhaft wieder Mitglied eines ganz exklusiven Zirkels: "Die besten Fünf in Abfahrt und Super-G fahren in einer eigenen Liga", bestätigt der Trainer.

Hilde Gerg fährt in dieser Liga ganz vorne, endlich wieder, als hätte sie sich nie das Bein gebrochen, sei nie ihr Kreuzband gerissen. Übermorgen fährt sie in Cortina d' Ampezzo, dort verblüffte sie 2003 alle Welt, indem sie sechs Wochen nach ihrer schweren Knieverletzung Dritte wurde. 2004 kommt sie als eine Gesunde zurück in die Dolomiten. Und als eine Siegerin.

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