Hertha gegen Mainz (15.30 Uhr):Noch im Fieber

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In Berlin kommt es zum Duell der beiden Überraschungsteams der Liga. Die Väter des Erfolgs, die Trainer Pal Dardai und Martin Schmidt, ähneln sich in vielen Dingen.

Von Tobias Schächter, Mainz

"Das hätte am Anfang der Saison keiner geglaubt", sagt Martin Schmidt und lacht. Der Trainer von Mainz 05 hat schon Recht: Dass sich zum Vorrundenabschluss am Sonntag (15.30 Uhr) in Hertha BSC (29 Punkte) und Mainz 05 (24) der Tabellendritte und -siebte gegenüberstehen, dürfte im Sommer wirklich niemand vermutet haben. Aber aus zwei eher mittelprächtigen Kadern haben zwei interessante Trainer auf ihrer jeweils ersten Bundesligastation schnell gestandene Teams gebaut. Mit Pál Dárdai, 39, wirkt die Hertha plötzlich sexy statt sorgenvoll, und mit Martin Schmidt, 48, wirkt Mainz 05 wieder wie Mainz 05.

Aus vermeintlichen Übergangslösungen sind längst Glücksfälle für ihre Vereine geworden. Beide verbindet, in der vergangenen Saison in der Not vom Nachwuchs- zum Cheftrainer ernannt worden zu sein. Beide schafften den Klassenerhalt, Schmidt als Nachfolger des Passspielfanatikers Kasper Hjulmand mit mitreißendem Pressingspiel alter Mainzer Prägung sogar souverän; Dárdai als Nachfolger von Jos Luhukay eher glücklich mit zwei Pünktlein Vorsprung vor dem ersten direkten Abstiegsplatz. Beide Trainer verbindet zudem die hohe Identifikation mit ihren Klubs.

Erstaunlich positive Entwicklung

Hertha-Rekordspieler Dárdai gab für die Berliner seinen Job bei der ungarischen Nationalmannschaft auf, die sich mittlerweile auch ohne ihn für die EM 2016 qualifizierte, und hat in seinem offiziell unbefristeten Vertrag angeblich auch die Versicherung, bei einem Scheitern bei den Profis wieder im Nachwuchs der Hertha arbeiten zu können. Der Schweizer Martin Schmidt, der von Thomas Tuchel vor sechs Jahren nach Rheinhessen gelotst wurde, geht auch als Profitrainer in Mainz noch immer regelmäßig in sein Stammcafé und liest seine geliebten Zeitungen. Nach Abpfiff des Spiels in Berlin reist Schmidt in seine Heimat, wo er neun Tage in den Bergen bei Freunden und Verwandten vom Bundesligastress abschalten möchte.

Doch noch ist er "im Fieber", wie er sagt. Als Fieber bezeichnet er den Alltag in der Bundesliga zwischen Spielen und Matchplänen. In Berlin wollen die Mainzer das Gefühl der guten Saison mit in die Pause nehmen, seit sechs Spielen sind sie ungeschlagen. Zuletzt aber, beim 0:0 gegen Stuttgart, zeigte sich die Schwäche der Mannschaft bei Ballbesitz. Schmidt ist deshalb ganz froh, nun wieder auswärts antreten zu dürfen. Und dennoch: Trotz der Weggänge von Taktgeber Johannes Geis (Schalke) und Torjäger Shinji Okazaki (Leicester City) nahm diese Mannschaft eine erstaunlich positive Entwicklung.

Heidel führt noch keine Selbstgespräche

Diese Mannschaft lässt sich auch durch die nun schon Monate lang anhaltenden Spekulationen über den möglichen Weggang von Manager Christian Heidel zum FC Schalke nicht aus dem Tritt bringen. Der Wechsel ist offiziell noch nicht bestätigt, Heidel sucht aber nach fast 25 Jahren, in denen er den FSV von einem biederen Zweitligisten zu einem gestandenen Bundesligisten mit über 100 Millionen Euro Umsatz und einem neuen Stadion entwickelte, eine neue Herausforderung.

Mainz 05 soll auch nach dem Weggang seines Machers konkurrenzfähig bleiben, vielleicht etwas anders aufgestellt, die Verantwortung soll auf mehreren Schultern verteilt werden. Wichtig aber ist, dass die Spekulationen demnächst beendet werden, denn diese treiben mitunter seltsame Blüten. Namen wie die des ehemaligen Hannover-Managers Dirk Dufner oder des aktuellen Leverkusener Sportdirektors Jonas Boldt als seine möglichen Nachfolger kommentieren Heidel und der Verein offiziell ebenso wenig, wie die realitätsnahe Vermutung, Heidel selbst dürfe seinen eigenen Nachfolger suchen.

Auf die Frage, ob am Interesse ausgerechnet von Schalke 04 an Yunus Malli etwas dran sei und bereits jemand vom Ruhrgebietsklubs deswegen an ihn herangetreten sei, sagte Heidel am Freitag: "Nein" - fügte aber mit ironischem Unterton hinzu: "Ich habe auch keine Selbstgespräche geführt."

Trotz der seltsamen Situation im Klub könnte Mainz 05 mit einem Sieg in Berlin die großartige Vorrunde (ausgenommen vom frühen Pokal-Aus gegen Zweitligist 1860 München) krönen. Ohnehin hat Schmidt derzeit einen besseren Punktquotient als seine berühmten Vorgänger Jürgen Klopp und Thomas Tuchel. Den wollen die Hertha und Pál Dárdai natürlich verschlechtern und mit einem Erfolg auf einem Champions-League-Platz überwintern. Durch den Einzug ins DFB-Pokal-Viertelfinale lebt auch der Traum vom Endspiel in Berlin endlich einmal auch noch nach Weihnachten bei der Hertha.

© SZ vom 20.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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