Hertha BSC:Ein bisschen üben gegen Otaci

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Glücklichen Umständen verdankt Hertha Berlin die Teilnahme am Uefa-Cup - die sportlichen Risiken des Frühstarts in die Saison will Trainer Favre intelligent lösen.

Claudio Catuogno

Wäre der Uefa-Cup ein Schönheits-Wettbewerb, wäre alles einfacher. Dann könnte Dieter Hoeneß, der Berliner Fußballmanager, seine Männer mit unbeschwertem Stolz auf den Laufsteg schicken und pausenlos betonen, wie verdient sie sich diesen Auftritt haben. Weil ja "im letzten Jahr das Erscheinungsbild von Hertha BSC außerordentlich positiv war". Aber um Schönheit geht es im Uefa-Cup bekanntlich zuletzt. Und das Erscheinungsbild, dem der Berliner Bundesligist nun seine Teilnahme an dieser Veranstaltung verdankt, war eine Statistik, die zum Saisonende im Mai für die Hertha nur 54 gelbe Karten und keinen einzigen Platzverweis auswies - und das, obwohl der Klub Josip Simunic unter Vertrag hat.

Lucien Favre kennt die Richtung, in welche er die Berliner Hertha führen soll. (Foto: Foto: dpa)

Hinzu kamen ein paar weiche Kriterien sowie eine Portion Losglück. Und deshalb ist die Sache für Dieter Hoeneß nun schwer zu überblicken. "Wirtschaftlich ist der Uefa-Cup nie ein Risiko, wenn man vorher keine Einnahmen daraus eingeplant hat", sagte der Hertha-Geschäftsführer am Mittwoch nach der Rückkehr der Mannschaft aus dem Trainingslager in Österreich. Aber ist er womöglich ein sportliches Risiko?

Die Chance nutzen

Schon am heutigen Donnerstag (20.15 Uhr/DSF), mehr als vier Wochen vor dem Ligastart, beginnt für Hertha BSC die Pflichtspielsaison mit einer Qualifikationspartie gegen Nistru Otaci aus Moldawien. Das Olympiastadion steht noch nicht zur Verfügung, weshalb die Hertha in den kleinen Jahn-Sportpark ausweichen muss. Das Rückspiel findet dann am 31. Juli statt, wobei der moldawische Pokalfinalist wiederum nach Chisinau umziehen wird; sein eigenes Stadion fasst nur 3.000 Zuschauer.

Einen Erfolg gegen den Fußball-Winzling vorausgesetzt, müsste die Hertha anschließend noch zwei weitere Gegner ähnlichen Kalibers aus dem Weg räumen - und stünde unverhofft in der Gruppenphase des Uefa-Cups. Dort also, wo sie - gemessen an den sportlichen Auftritten der letzten Spielzeit - eher nicht hingehört. Aber "wir wollen diese Chance, die uns dank der Fair-Play-Wertung gegeben worden ist, nutzen", sagt Dieter Hoeneß.

Zumal die Aussicht auf ein paar internationale Auftritte nur eine Entwicklung vorwegnimmt, die Hoeneß der Hertha ohnehin verordnet hat. Seit dem Wiederaufstieg 1997 war der Klub sechsmal im Uefa-Cup und einmal in der Champions League spielberechtigt, bloß kann sich daran in Berlin kaum noch jemand erinnern. Nun ist das hässliche Wort Mittelmaß wieder offiziell aus dem Wortschatz gestrichen worden. "Wir haben eine klare Vorstellung davon, was wir wollen", musste Hoeneß am Mittwoch nur verklausuliert sagen - und schon wusste jeder, was gemeint war: sein Drei-Stufen-Plan.

Mehrbelastung - kein Problem

Die erste Stufe haben die runderneuerten Berliner samt neuem Trainer Lucien Favre noch mühelos erklommen: den "Platz im gesicherten Mittelfeld". Doch ab sofort wird es steiler. 2009 will sich Hertha BSC auch sportlich für den Uefa-Cup qualifiziert haben, 2010 hat Hoeneß dann die Champions League im Visier. Da kann ein bisschen Üben nicht schaden, und sei es gegen Otaci. "Meiner Meinung nach kannst du gar nicht genug Spiele haben, um dich als Mannschaft zu finden", glaubt Hoeneß. Ein Risiko durch die Mehrbelastung? "Wenn man es einigermaßen intelligent angeht, dürfte man keine Probleme haben."

Das versuchen sie nun: alles intelligent zu lösen. Während der letzten Tage hat Favre die Belastung seiner Spieler reduziert, schließlich sollen sie die defensiven Moldauer am Donnerstag "so lange nicht in Ruhe lassen, bis wir führen". Dazu braucht es eine gewisse Spritzigkeit. Gleich danach wird Favres Vorbereitung aber "mit hoher Intensität weitergehen". Denn im Juli müssen auch die konditionellen Grundlagen für ein ganzes Jahr gelegt werden - und dieses Jahr könnte für die Berliner nun noch schwerer planbar werden.

Schritt für Schritt denken

"Wir müssen die neuen Bedingungen adaptieren und das Beste daraus machen", sagt Favre. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass Mannschaften, die sich noch im Umbruch befinden, ambitionierte Reisen durch Europa mit Rückschlägen in der Bundesliga bezahlen. Hoeneß und Favre müssen also auf vieles vorbereitet sein, gleichzeitig aber dazu mahnen, Schritt für Schritt zu denken.

Zunächst einmal sollten die Berliner wieder Tore schießen, ihre letzten Testspiele gegen Hapoel Tel Aviv und den FC Kopenhagen endeten jeweils 0:0. Als nächstes stehen der Abwehr einige Rochaden bevor: Arne Friedrich weilt noch im EM-Urlaub, Simunic ist erst vor drei Tagen zum Team gestoßen. Gegen Otaci werden Steve von Bergen und der Brasilianer Kaka, 27, von Coimbra aus der portugiesischen Liga geholt, die Innenverteidigung bilden. Links daneben dürfte ein weiterer Neuling debütieren: der aus Rostock gekommene Marc Stein.

Doch vor allem elektrisieren in Berlin derzeit die Transfers, die noch nicht geglückt sind: Hoeneß verhandelt unter anderem mit dem Brasilianer Cicero, 23, von Fluminense FC, dem Chilenen Jorge Valdivia, 24, aus São Paulo und dem Tunesier Mohamed Chermiti, 20, von Étoile du Sahel. Der Manager wirkt gelassen, und mit dem Uefa-Cup-Spiel am Donnerstag eilt die Hertha seinem Drei-Stufen-Plan genau genommen ja sogar voraus. Aber wer die erste Stufe geschafft hat, sollte sich nicht der Gewissheit hingeben, auch den Gipfel zu erreichen.

© SZ vom 17.07.2008/pes - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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