Hertha BSC:Boateng macht's mit links

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Eintracht Frankfurt gewinnt durch ein spätes Tor 2:1 in Berlin. Der Siegbringer Boateng empfindet seine Leistung trotzdem als "Vollkatastrophe".

Von Nico Fried, Berlin

Er hatte das entscheidende Tor erzielt, seiner Mannschaft zum Auswärtssieg verholfen und das in seiner Heimatstadt - dafür war es bemerkenswert, wie Kevin Prince Boateng seine Leistung gegen Hertha BSC nach dem Schlusspfiff charakterisierte: "Vollkatastrophe." Ganz so hart hätte er es nicht sagen müssen, auch wenn er tatsächlich häufig mehr neben dem Spiel hergelaufen war als im Mittelpunkt zu stehen. In der 80. Minute aber fiel ihm der Ball vor den richtigen Fuß: "Zum Glück funktioniert der Linke noch", fasste Boateng die Szene zusammen, die zum 2:1 für Eintracht Frankfurt führte.

Für die Frankfurter war es ein glücklicher Sieg, für die Berliner eine überflüssige Niederlage. Die Hertha wirkte am Anfang deutlich lustvoller, erkennbar gewillt, den Temperaturen um null Grad und dem pünktlich zum Anpfiff einsetzenden Schneetreiben zu trotzen. Frankfurts Abwehr, bislang die zweitbeste der Liga, präsentierte sich erst einmal ungelenk. Vedad Ibisevic hätte schon in der ersten Minute nach Fehlpass von Mijat Gacinovic für die Hertha treffen können, aber Frankfurts Torhüter Lukas Hradecky war noch dran.

Vor dem 1:1 versinkt Berlins Abwehr in einen Tiefschlaf

Vor allem Davie Selke unternahm danach Annäherungsversuche ans Frankfurter Tor, erst mit einem Schuss von der Strafraumgrenze, kurz darauf per Kopf. In der 15. Minute brachte er die Hertha nach einem schönen Pass von Mathew Leckie mit einem Schuss aus halbrechter Position in Führung. Frankfurts Trainer Niko Kovac fand später, die ersten 20 Minuten seien schlecht gewesen, Sportvorstand Fredi Bobic sprach sogar von den schlechtesten 20 Minuten der bisherigen Saison.

Nach dem Tor bot sich dann erstaunlicherweise das umgekehrte Bild. Frankfurt wachte auf, die Hertha war wie verblüfft von der eigenen Leistung. In der 25. Minute gab es die erste große Chance für die Eintracht: Ante Rebic lief aufs Berliner Tor zu, scheiterte aber an Rune Jarstein. Die Ecke trat der agile Niederländer Jetro Willems über eine Hertha-Abwehr hinweg, die in Tiefschlaf gesunken war, als fielen vom Himmel keine Schneeflocken, sondern Bettfedern. An der Strafraumgrenze legte Marius Wolf die ganze Wucht seines Anlaufs, der an der Mittellinie begonnen hatte, in den Schuss zum 1:1. "Ein naives Tor", schimpfte Hertha-Trainer Pal Dardai: "Da haben wir die Frankfurter aufgebaut."

In der zweiten Halbzeit äußerte sich die Entschlossenheit auf beiden Seiten zunächst im ruppigen Angang des jeweiligen Gegenspielers. Es folgte mehrmals eine Rudelbildung, begleitet von gelben Karten für Spieler beider Teams. Von einem "Abnutzungskampf" sprach nachher Fredi Bobic. Die Eintracht spielte insgesamt souveräner, Trainer Kovac hatte in der Pause die Defensive durch die Einwechslung von Aymane Barkok stabilisiert. Nach vorne ging's aber auch bei der Eintracht nur sporadisch, wirklichen Wumms entwickelte sie nur, wenn sich die Außenverteidiger einschalteten oder die Hertha-Abwehr den Ball nicht aus dem Strafraum bekam, wie Mitchell Weiser in der 80. Minute. Deshalb lag er dann im entscheidenden Moment vor Boatengs linkem Fuß.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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