Hannover zittert sich zum 1:0:Unter Beobachtung auf dem wackligen Stuhl 

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Trainer Daniel Stendel steht in Hannover unter Beobachtung. Ob ihm das schwache 1:0 gegen 1860 hilft? Der neue 96-Manager Horst Heldt vermeidet ein Bekenntnis.

Der für den neuen Manager reservierte Tribünenplatz, oben vor den Logen in der Reihe von Vorstandschef Martin Kind, blieb leer. Horst Heldt hatte sich einen Platz auf der Bank ausgesucht für seine Premiere bei Hannover 96. "Oben rauche ich zu viel", sagte Heldt, doch sein Grinsen zeigte, dass kaum gesundheitliche Gründe ausschlaggebend gewesen sein dürften. Es gehe ihm darum, "Präsenz zu zeigen", sagte Heldt bei Sky - und das Team zu "unterstützen".

Tatsächlich geht es wohl auch um den Trainer. Ob sich Daniel Stendel, über dessen Ablösung durch Heldt in dessen erster Arbeitswoche bei den Niedersachsen bereits intensiv diskutiert wurde, von seinem neuen Vorgesetzten nun wirklich unterstützt fühlt oder beobachtet, vielleicht auch kontrolliert, das lässt sich noch nicht sagen nach diesen ersten gemeinsam auf der Bank verbrachten 90 Minuten. Was Heldt über weite Strecken sah an diesem mittelprächtigen Nachmittag in Hannover, hätte ihn, gäbe es kein Rauchverbot am Spielfeldrand, durchaus zum nervösen Nikotinkonsum treiben müssen. 96 bot eine enttäuschende Leistung beim 1:0 (0:0) gegen den TSV 1860 München.

Von den Hannoveraner Fans kurz vor Spielschluss mit Sprechchören ermuntert: Trainer Daniel Stendel. (Foto: Peter Steffen/dpa)

Torschütze Harnik: "Mir haben die Typen mit 'Arsch in der Hose' gefehlt"

Sechs Auswärtsspiele hintereinander hatten die Müncher Löwen zuletzt verloren, die siebte Niederlage in Serie aber war absolut unverdient. Amilton (34.) und Stefan Aigner (45.) hatten in der ersten Halbzeit jeweils die Führung auf dem Fuß, scheiterten jedoch am starken 96-Torwart (und früheren 60-Keeper) Philipp Tschauner. "Es ist ein deutliches Zeichen, dass unser Torwart der beste Mann auf dem Platz war. Mir haben heute die Typen mit 'Arsch in der Hose' gefehlt", sagte 96-Torschütze Martin Harnik, nahm aber Trainer Stendel ausdrücklich in Schutz: "Der wackelige Stuhl ist schwierig für ihn, aber er hat in dieser Woche etwas verändert, eine Reaktion gezeigt. Wir bringen die PS nicht auf den Rasen. Da könnte auch ein Guardiola auf der Bank sitzen."

Der freilich müsste sich wohl keine Sorgen machen wegen eines neuen Banknachbarn; anders als Stendel, dem nicht entgehen konnte, wie unzufrieden der Manager neben ihm gerade in der ersten Halbzeit gewesen sein musste. In der 55. Minute dann sah er Horst Heldt aufspringen, er selbst tat es auch, runter vom wackligen Stuhl, rein in die Jubeltraube. Seite an Seite feierten sie den völlig unverdienten Führungstreffer durch Harnik, dem eine Pannenserie in der Löwen-Abwehr vorausgegangen war. Harnik schob freistehend links unten ein, Stendel und Heldt begegneten sich an der Seitenlinie, ein kurzer Händedruck, eine flüchtige Umarmung, und dann klopfte der Manager dem Trainer nachdrücklich auf die Schulter.

Auch Hannovers Sportdirektor Horst Heldt verschafft der Sieg gegen 1860 München etwas Luft. (Foto: Peter Steffen/dpa)

Ob er dies ein Zeichen von Anerkennung war, lässt sich nicht sagen. Wenigstens aber war es ein Signal zum Durchatmen.

Die Sechziger ließen auch in der Schlussphase beste Gelegenheiten aus: Wieder war es Torwart Tschauner, der eine verunglückte Flanke von Münchens Maximilian Wittek an die Latte lenkte (70.). Und nach der einzigen Unsicherheit des Torwarts klärte Iver Fossum auf der Linie (83.). Es vergingen bange Minuten für Stendel und Heldt, doch es blieb beim 1:0 für Hannover.

1860 rutscht wieder Richtung Abstiegszone

"Für mich war es das beste Spiel unter meiner Leitung", sagte bei der Pressekonferenz der Trainer. Der hieß in diesem Fall allerdings nicht Stendel, sondern Vitor Pereira. Der 1860-Coach erkannte: "Ein Fehler hat das Spiel entschieden, das ist schade - aber das ist Fußball." Ein Fehler, der zur dritten Niederlage der Löwen hintereinander und sein Team wieder Richtung Abstiegsränge führte, nur noch drei Punkte Vorsprung hat 1860 auf den Relegationsplatz.

Enttäuschung in Gelb: Die Winterzugänge Christian Gytkjaer (links) und Abdoulaye Ba nach dem unglücklichen 0:1 in Hannover. (Foto: Peter Steffen/dpa)

Hannover festigte Rang drei, bleibt dran an Stuttgart und Union Berlin - aber auch dran an der Trainerdebatte. Nach einem Bekenntnis hörte sich die Aussage von Horst Heldt nicht an, als er sagte, man werde "mit Stendel in der kommenden Woche am nächsten Step arbeiten", schließlich fügt er er an: "Fußball ist ein Tagesgeschäft. Ich habe gelernt, dass man keine Versprechen abgeben darf, die man nicht halten kann." Die Aussage von Vorstandschef Martin Kind klang noch vager: "Wir müssen das Spiel in Ruhe analysieren", sagte der 96-Macher. Am heutigen Sonntag soll es eine Vorstandssitzung zum Trainerthema geben.

Die Fans in der Kurve, die zur Halbzeit noch gepfiffen hatten, feierten Stendel nach Abpfiff als "besten Mann".Und Torschütze Harnik sagte: "Er hat derzeit den schwierigsten Job in der Liga. Da tun solche Gesänge natürlich gut." Auf dem schwarzen Kapuzenpulli, den Daniel Stendel am Samstag trug, stand "Niemals allein" über dem Logo von 96. Wie lange er das noch (er)tragen kann?

© SZ vom 12.03.2017 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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