Hannover chancenlos beim 0:1:"Angst essen Seele auf"

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Nach drei Niederlagen zum Einstand macht sich bei Thomas Schaaf schon eine gewisse Ratlosigkeit breit. Seine Mannschaft scheint nicht die Qualität für sein System zu haben.

Von Stefan Rommel, Hannover

Vielleicht fasst eine Aktion das ganze Elend einer Saison recht treffend zusammen: Irgendwann während der ersten Halbzeit trafen sich am Samstag die beiden Hannoveraner Spieler Uffe Bech und Hotaru Yamaguchi im Mittelfeld, sie hätten so ziemlich alles machen können, Yamaguchi führte schließlich den Ball. Vielleicht kreuzen, den Ball passen oder übergeben, das Zentrum durch einen listigen Laufweg öffnen. Bech und Yamaguchi entschieden sich für einen Pressschlag. Bech fiel auf den Boden, Yamaguchi verlor den Ball und ein Mainzer steuerte einen neuerlichen Konter auf das Tor von Ron-Robert Zieler.

Zu diesem Zeitpunkt der Partie führte Mainz bereits mit 1:0, nach einem Angriff über die linke Seite hatte Christian Clemens den Ball quer auf Jairo Samperio gelegt, der diese Kombination mit dem einzigen Treffer des Tages krönte (24.). Es war der erste Mainzer Sieg überhaupt in Hannover. Wobei die Rheinhessen in den Jahren davor wohl nie auf einen derart hilflosen Gegner getroffen waren. Im dritten Spiel unter dem neuen Trainer Thomas Schaaf präsentierte sich Hannover eher wie ein zufällig zusammengewürfelter Haufen von Einzelspielern.

Hoffnung auf Beistand: Hugo Almeida ist für den Sturm von Hannover 96 nicht die erhoffte Verstärkung. (Foto: Oliver Hardt/Getty Images)

Fehlbesetzungen der Raute

Schaafs Vorstellungen eines Spielsystems passen offenbar nicht zum ausführenden Personal. Schaaf trat gegen Mainz erneut in der jetzt schon umstrittenen 4-4-2-Formation mit der Mittelfeldraute an, er stellte den gelernten Sechser Manuel Schmiedebach auf die Zehn und vertraute erneut Hugo Almeida als Teil der Doppelspitze. Es war früh zu erkennen, dass nichts zu erkennen war. Jedenfalls keine eingeschliffenen Abläufe im Offensivspiel, keine Kreativität aus dem Zentrum, kein Wucht in der vordersten Linie. Stattdessen große Löcher und die entsprechenden Probleme in den Halbräumen, die Mainz konsequent bespielte und so immer wieder zu Abschlüssen kam.

Die erste Halbzeit komprimierte das Grauen der bisherigen Saison auf 45 fast schon ohnmächtige Minuten: Keine einzige Ballaktion eines Hannoveraner Spielers im gegnerischen Strafraum, eine Ecke und ein Torschuss, abgefeuert aus 35 Metern, direkt in den komplett leeren Oberrang der Südkurve. Im Abstiegskampf bleiben 96 auch noch die Zuschauer weg. 35.596 wurden gegen Mainz gezählt, fast ein Drittel der Plätze blieben unbesetzt. "Man sieht, dass eine totale Verunsicherung da ist und auch Angst da ist, 'Angst essen Seele auf'. Das alles ist aber keine Rechtfertigung dafür, was wir abgeliefert haben. Und das ist auch nicht unser Weg, den wir gehen wollen", sagte Schaaf, der eine gewisse Ratlosigkeit nicht verbergen konnte.

Die zweite Halbzeit war einen Hauch besser. Was in erster Linie aber nicht an den Gastgebern lag - vielmehr machte sich Mainz selbst das Leben schwer. Hannover kam so eher zufällig zu drei veritablen Torabschlüssen, aber Adam Szalai und Hugo Almeida zielten entweder direkt auf Mainz-Keeper Loris Karius oder am Tor vorbei. Mehr hatten die Gastgeber nicht zu bieten. Er habe durch die Wechsel Veränderungen herbeiführen wollen, sagte Schaaf. "Letztlich haben aber alle, die auf dem Platz standen, das nicht erreichen können." Die Mannschaft hielt vielmehr bis zum Ende am erfolglosen Spielkonzept fest, obwohl "wir gemerkt haben, dass wir mit unseren Kombinationen nicht durchkommen."

Es bleibt nicht viel Hoffnung

Ein entsprechender Hinweis an seine Mannschaft wäre unter Umständen ratsam gewesen, so zerschellten Hannovers Angriffsbemühungen aber bereits im Mittelfeld und Mainz hatte eigentlich keine große Mühe, das knappe Resultat nach Hause zu verteidigen. Im Gegenteil: Kurz vor Schluss fehlte den Gästen bei einem Lattenschuss von Clemens lediglich ein bisschen Glück (89.). Genau darauf baut in den kommenden Wochen auch Schaaf: Dass das Glück zurückkommt und dass die Mannschaft mit einer erfolgreich absolvierten Partie die Last einfach so abschüttelt. "Wir müssen darauf setzen, dass wir uns freispielen können. Dass so ein Ding wie das von Hugo Almeida auch mal reingeht, dass dann einfach irgendwas explodiert und dass diese Glocke hier mal weggesprengt wird", sagte der Trainer.

Weitere handwerkliche Lösungsvorschläge waren nicht zu vernehmen, bereits nach drei Spieltagen der Rückrunde legt sich schon wieder eine Niedergeschlagenheit breit wie in den letzten Momenten unter Ex-Trainer Michael Frontzeck. Vielleicht bringt ein Blick in die Statistik ein wenig Hoffnung: Tatsächlich hat eine Mannschaft trotz 14 Niederlagen nach 20 Spielen in der Bundesligageschichte noch die Klasse gehalten. Das war vor 44 Jahren, die Mannschaft hieß Hannover 96.

© SZ vom 07.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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