Handball-WM:Weniger Fehler, neue Ausfälle

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Markus Baur führt die Nationalmannschaft zu einem 32:20 gegen Argentinien. Andrej Klimovets ist allerdings angeschlagen.

Christian Zaschke

Eine Viertelstunde war in der Partie gegen Argentinien gespielt, da zeigte Markus Baur, was er besonders gut kann. Die Deutschen rannten auf das gegnerische Tor zu, überall Angreifer und Verteidiger. Baur wurde angespielt, und ehe er den Ball richtig in Händen hielt, hatte er ihn schon wieder weitergespielt, präzise durch all die rennenden Menschen hindurch zu Kreisläufer Sebastian Preiß, der sich frei vor dem Tor wiederfand und den Ball ins Netz warf.

Die Fähigkeit, solche Pässe zu spielen, macht den Kapitän so wichtig fürs Team. Am Sonntagabend beim 32:20 (17:11) im zweiten WM-Spiel gegen Argentinien gab er noch einige Kostproben seiner Kunst und führte die Mannschaft zu einem nie gefährdeten Sieg.

Das Spiel war so früh entschieden, dass Baur sich Mitte der zweiten Halbzeit schonen konnte. Bundestrainer Heiner Brand gab Michael Haaß die Möglichkeit, sich als Spielmacher zu probieren. Normalerweise wäre Michael Kraus die erste Wahl nach Baur gewesen, doch Kraus leidet an einem grippalen Infekt.

Die Mannschaft bleibt also weiterhin von Ausfällen nicht verschont. Unklar ist derzeit auch noch, was es mit Andrej Klimovets Schmerzen in der Wade auf sich hat. Der erste Verdacht lautet: Muskelfaserriss. Das wäre insofern dramatisch für das Team, als dass Klimovets sowohl in der Abwehr als auch im Angriff ein ganz wichtiger Mann ist.

Erfreulicher war, dass die Deutschen die Fehlerquote im Vergleich zum ersten Spiel verringern konnten. In der Partie gegen Brasilien hatten die Spieler noch recht viele Fehler begangen. Beim 27:22 am Freitag kamen sie zwar recht oft frei zum Wurf, vergaben diese Möglichkeiten aber häufig.

"Dass wir so viele Chancen hatten, zeigt aber, dass die Abläufe ganz gut funktionieren", sagt Baur. Genau das war die Frage gewesen: Wie gut würden die Abläufe im Spiel funktionieren, wenn die Mannschaft sich wegen der vielen Verletzungen kaum einspielen konnte? Baur ist jedenfalls recht zufrieden nach zwei Spielen mit zwei Siegen. Er sagt: "Der Start ist geglückt, wir haben gewonnen. Um nichts anderes geht es."

Dass er selber beim WM-Auftakt dabei sein würde, erschien lange Zeit unsicher. Ein gutes Jahr lang war Baur verletzt, erst im Oktober vergangenen Jahres kehrte er beim World-Cup in die Nationalmannschaft zurück. Dieses Comeback war allerdings eindrucksvoll. Souverän lenkte er das Spiel, als sei er niemals weg gewesen, und manchmal glänzte er bei Tempo-Gegenstößen mit Pässen wie ein Quarterback.

Dass er so zurückgekommen ist, war erstaunlich, auch, weil Baur für einen Sportler mittlerweile recht alt ist. An diesem Montag feiert er seinen 36. Geburtstag. Ob er fühlt, wie die Uhr tickt? Wie seine Zeit abläuft? "Nein", sagt er, "ich merke ja, wie es für viele junge Spieler frustrierend ist, wenn ihnen ein 36-Jähriger wegläuft. Und das ist für mich ein ziemlich gutes Gefühl."

Baur ist der älteste noch aktive der Spieler, die einst die goldene Generation des neueren deutschen Handballs bildeten. Christian Schwarzer, Stefan Kretzschmar, Volker Zerbe, Klaus-Dieter Petersen, Daniel Stephan - sie alle sind zurückgetreten. Baur ist noch da und versucht, die neue Mannschaft nach oben zu führen.

Er weiß, dass das Zeit braucht, doch er sieht stetige Fortschritte. Er sagt: "2005, bei der ersten WM nach dem Umbruch, haben wir alle Spiele gewonnen, die wir gewinnen mussten. In den anderen Spielen gegen die Favoriten haben wir zwar verloren, aber wir waren nicht chancenlos, wir konnten die Spiele mitgestalten. 2006 bei der EM in der Schweiz haben wir wieder alle Spiele gewonnen, die wir gewinnen mussten. Dazu haben wir noch ein paar Spiele gegen favorisierte Mannschaften gewonnen und lediglich eine Partie verloren - gegen den späteren Europameister Frankreich." Wenn dieser Fortschritt linear verliefe, würde die deutsche Mannschaft diesmal kein Spiel verlieren.

Nach der Verletzungspause hat sich Baur angewöhnt, in kleinen Schritten zu planen, was im Sport bevorzugt ausgedrückt wird in der Wendung: von Spiel zu Spiel denken. An seinem Geburtstag steht nun das letzte Vorrundenspiel gegen Polen an, und es ist eine nette Fügung, dass wie bei den Fußballern die Partie gegen Polen so wichtig ist für den Verlauf der WM. Die beiden Mannschaften spielen um den Gruppensieg und damit darum, wer mit den besseren Voraussetzungen in die Hauptrunde einzieht.

In den letzten 15 Minuten gegen Argentinien ließ Brand immer wieder die Spieler aufs Parkett, die sonst nicht zur ersten Wahl gehören. Er dachte schon weiter: Denn wenn sich weiterhin Spieler verletzen, dann muss die zweite Reihe eingespielt sein.

© SZ vom 22. Januar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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