Handball-Pokal: Berlin - Hamburg:Als die Halle fast zerbricht

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In einem epischen Duell werfen die Füchse Berlin den Titelverteidiger HSV Hamburg aus dem DHB-Pokal. Sie nutzen dabei sogar Spielzüge aus dem American Football.

Carsten Eberts

Für ein paar Sekunden erhielt American Football Einzug in die Berliner Max-Schmeling-Halle. Wie ein Quarterback spielte Sven-Sören Christophersen einen langen Pass auf Konrad Wilczynski. Der drehte sich, fing das Spielgerät wie ein Wide Receiver im Flug, landete unsanft auf dem Rücken. Wilczynski berappelte sich, passte in den Lauf von Christophersen, der traf ins Hamburger Tor. Die Schmeling-Halle drohte in diesem Moment zu zerbrechen.

Sven-Sören Christophersen (gelbes Trikot) war einer der Berliner Stützen beim Pokal-Sieg gegen Hamburg. (Foto: dpa)

Vielleicht war es diese Szene, die den Füchsen die Gewissheit gab: Heute packen wir es wirklich! Im Oktober war es der HSV Hamburg, der die phänomenale Serie der Berliner mit sieben Siegen zum Saisonauftakt beendete. Am Dienstagabend nahmen die Füchse die erhoffte Revanche: Nach dem 31:27 (15:16) im DHB-Pokal-Achtelfinale steht Berlin im Viertelfinale. Der HSV hingegen, der Titelverteidiger, ist schon raus.

Das Treffen zwei der besten deutschen Teams war auch eines ihrer Torhüter. Auf der einen Seite Silvio Heinevetter, der unorthodoxe Berliner, der konstanteste Keeper der Hinrunde. Auf der anderen Seite Johannes Bitter, Weltmeister von 2007, der beim Tabellenführer bisweilen überragende Partien geliefert hat. Sinnvoll also, dass sich auch Bundestrainer Heiner Brand auf den Weg nach Berlin gemacht hatte. Denn wer bei der WM Mitte Januar in Schweden als Nummer eins im deutschen Tor steht, dürfte selbst Brand noch nicht wissen.

Das Spiel begann mit einer Demonstration der beiden Protagonisten. Heinevetter parierte den ersten Siebenmeter von Hans Lindberg, Bitter gleich derer zwei von Ivan Nincevic. Kurz vor der Pause übernahmen die Hamburger um den starken Pascal Hens das Kommando, führten zur Halbzeit 16:15. Alles schien im Griff, bis das Spiel des HSV einen seltsamen Knacks bekam.

Der HSV agierte plötzlich überhastet, Berlin hingegen klug und in der Abwehr gewohnt aggressiv. Alles lief nun für die Füchse: Sie profitierten von den Taten Heinevetters, wuchtig-ansatzlosen Würfen von Christophersen, jedoch auch von zwei, drei Pfiffen der Schiedsrichter. Beim Stand von 25:22, als der Arm der Referees schon lange drohendes Zeitspiel anzeigte, eilte Christophersen vom linken Rückraum bis auf Halbrechts. Er traf mit einem unglaublichen Wurf.

Die letzten Sekunden gingen im Jubel unter; wie schon im September, als die Füchse den THW Kiel 26:23 schlugen. Diesmal traf es den Tabellenführer aus Hamburg. Heinevetter parierte noch einen überhasteten Wurf von Blazenko Lackovic, Mittelmann Bartlomiej Jaszka traf auf der Gegenseite. Dann war das Spiel vorüber.

"Wir haben heute unglaublich gekämpft", sagte anschließend ein sichtlich geschaffter Heinevetter: "Wir stehen auf Platz zwei in der Liga, spielen eine unglaubliche Saison. Zu Hause haben wir Kiel geschlagen, im Pokal nun auch den HSV. Das ist was ganz Großes." Das Duell der Nationalkeeper hatte er an diesem Abend gewonnen: Bitter hielt gut, Heinevetter herausragend.

Ist sie damit vorbei, die Zeit der Berliner Tiefstapelei? Vor dem Spiel hatte vor allem Füchse-Manager Bob Hanning den HSV als unbezwingbaren Riesen dargestellt. Nun ist der Tabellenführer besiegt. Heinevetter bleibt lieber vorsichtig: "Jeder Experte denkt, dass wir irgendwann einen Einbruch bekommen. Wir hoffen, dass wir das so lange wie möglich hinauszögern können."

Auch sein Trainer Dagur Sigurdsson war wenig übermütig: "Es ist eigentlich nicht zu fassen, ich bin sprachlos." Manager Hanning sagte: "Ich werde sicher noch etwas brauchen, um das zu realisieren."

Auf der anderen Seite klagte HSV-Trainer Martin Schwalb über die vertane Chance: "Berlin war in den entscheidenden Phasen einfach wacher, besser. Als wir mit 19:16 führten, haben meine Spieler wohl gedacht, dass sie die Partie schon nach Hause schaukeln würden." Linksaußen Matthias Flohr klagte: "Wir sind alle schockiert über das Ergebnis."

Für den HSV könnte das Pokal-Aus auch gute Seiten haben. In den vergangenen Jahren absolvierte der Klub in der Bundesliga, Champions League und im DHB-Pokal das schwerstmöglichste Programm, musste in der Liga stets den THW Kiel vorbeiziehen lassen. Nun fällt zumindest eine Belastung weg - vielleicht ein gutes Zeichen für den ersten Meistertitel.

Das Final-Four-Turnier zum Pokalfinale findet im Mai 2011 trotzdem in Hamburg statt. Diesmal ohne den HSV.

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