Handball: Final Four:Mit letzter Leidenschaft

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Kiels Domagoj Duvnjak holt zum Wurf aus. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Dem THW Kiel droht eine enttäuschende Saison, der Pokal ist die letzte Chance. Kapitän Duvnjak, dessen Körper seit Wochen kein Training mehr zulässt, reißt sein Team noch einmal mit. "Wenn's drauf ankommt, ist er einfach da."

Von David Joram, Hamburg

Domagoj Duvnjak weiß, worauf es ankommt. "Kampf, Einsatz, Leidenschaft und ein bisschen Glück", findet er, nachzulesen im Final-Four-Magazin. Tausende Exemplare davon lagen am Samstag in der Arena des Hamburger Volksparks aus, wo die deutsche Handballszene seit 1994 jährlich ihren Pokalsieger ermittelt. Der THW Kiel, den Duvnjak als Kapitän anführt, ist mit neun Titeln Rekordgewinner dieses Wettbewerbs. Seit 2013 hat er ihn aber nicht mehr gewonnen, nicht mal mehr die Endrunde der vier Besten erreicht. Aus Sicht der erfolgsverwöhnten THW-Fans fühlt sich das so an, als würde jemand die Kieler Woche wegen ein paar Regentropfen mal eben schnell absagen.

Mit dem THW verhält es sich anders, die ganz fetten Jahre sind vorbei, die Meisterschaft verpasst das Team von Trainer Alfred Gislason sehr wahrscheinlich erneut. Auch in der Champions League - im Viertelfinale wartet der spanische Topklub FC Barcelona - gilt ein Ausscheiden als wahrscheinlich. Einzig der Pokal schützt deshalb vor Titellosigkeit, das ahnt auch Duvnjak. Der kroatische 1,98-Meter-Hüne bemühte vor dem Halbfinale gegen den SC DHfK Leipzig also ein paar harte Schlagworte, um allen den Ernst der Lage zu verdeutlichen.

Die junge Kieler Mannschaft ist auf ihren Kapitän angewiesen

Seit vielen Wochen kann Duvnjak, 29, nicht mehr trainieren, gegen Leipzig muss er aber trotzdem spielen. Die junge Kieler Mannschaft ist auf ihren Kapitän angewiesen, dessen Patellasehne im linken Knie an chronischer Überlastung leidet. Nächste Woche soll deshalb nachgeholt werden, was längst überfällig ist: eine OP.

Doch niemand kann den Welthandballer von 2013 derzeit beim THW ersetzen. Also humpelt Duvnjak im Pokalhalbfinale von vorne nach hinten, mal auf die Bank, und dann wieder mitten rein ins Geschehen. In der Offensive verteilt er als Rückraumspieler meist klug die Bälle an seine Kollegen, gibt den Rhythmus vor - und nimmt, vor allem in engen Phasen, die entscheidenden Würfe selbst. In der Abwehr stellt er zusammen mit Nationalspieler Patrick Wiencek den Mittelblock. All das sieht furchtbar gequält aus, zumal bei einem Zweikampf noch der Kopf malträtiert wird.

"Ein großer Charakter, unser Führungsspieler"

Niclas Landin, Kiels dänischer Weltklassetorwart, sagt: "Er sieht oft kaputt aus, aber dann kommt doch noch was. Wenn's drauf ankommt, ist er einfach da und nimmt sich den Ball. Ein großer Charakter, unser Führungsspieler." Gegen die Leipziger, die vom Bundestrainer Christian Prokop exzellent eingestellt worden sind, kamen Duvnjak und Kiel in der ersten Halbzeit aber nur schleppend voran. Leipzig dominierte die Anfangsphase, legte ein 5:1 vor, auf Kieler Seite brachten Steffen Weinhold und der sichere Siebenmeterschütze Niclas Ekberg ihr Team erst nach elf, zwölf Minuten so richtig zurück. Trainer Alfred Gislason stellte fest: "In der ersten Halbzeit hat er ziemlich schlecht gespielt." An dessen Ende stand es 19:19.

In den zweiten 30 Minuten steigerte sich Duvnjak - und mit ihm das gesamte Team. Ekberg legte mit drei Toren vor (22:19, 35, Minute), danach lag nur noch der THW vorne. Als Leipzig am Ende nochmal alles versuchte, parierte Landin zweimal exzellent, den Rest besorgte Duvnjak. Einen langen Angriffszug bereiteten ihm seine Mitspieler vor, der Kroate nahm dankend an und warf entschlossen ein: 34:31, 90 Sekunden vor Schluss, die Entscheidung.

Wenig später, als der 35:32-Endstand schon wieder Geschichte ist, erzählt ein völlig verschwitzter Domagoj Duvnjak, dass "alles gut ist", das Knie sei von Tag zu Tag besser geworden. Ob er im Finale (Gegner wird Flensburg/Handewitt nach einem 33:23 über die Rhein Neckar Löwen sein) notfalls das ganze Spiel mitmachen könne, will ein Reporter wissen. Duvnjak überlegt nur kurz, sagt "notfalls ja" und humpelt in die Kabine. Dem Kieler Kapitän steht ein neues Kapitel über Leidenschaft bevor.

© SZ vom 09.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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