Handball-EM, kleines Finale:Blamage zum Abschied

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Es war einmal ein deutsches Handballmärchen. Nach der dramatischen Niederlage im Halbfinale werden die Deutschen von Frankreich vorgeführt. Es bleiben: kaputte Spieler und wenig Zeit bis Peking.

Als der große Traum von Europas Krone geplatzt war, konnten sich die ausgepumpten Weltmeister nicht mehr zu einer letzten Energieleistung aufraffen. Im Spiel um Platz drei gegen den entthronten Titelverteidiger Frankreich hatten die deutschen Handballer bei der EM in Norwegen beim 26:36 (9: 18)-Debakel nicht den Hauch einer Chance und verabschiedeten sich ohne Happy End aus dem verschneiten Olympiastädtchen Lillehammer.

"Gehofft, dass die Zeit schnell umgeht"

"Es fehlte ein wenig die Leidenschaft. Der Kräfteverschleiß war aber auch enorm hoch. Das muss ich jetzt erstmal verarbeiten", sagte Bundestrainer Heiner Brand, der das bittere Ende und die höchste deutsche Niederlage bei einer EM hilflos von der Bank aus mitansehen musste: "Ich habe immer auf die Uhr gesehen und gehofft, dass die Zeit schnell umgeht."

Sein großes Kompliment nach dem Halbfinal-Krimi gegen Dänemark verblasste daher etwas. "Die Mannschaft hat sich sensationell geschlagen. Diese Bereitschaft, sich über alle Hindernisse hinwegzusetzen und sich nicht zu beklagen, war großartig", hatte Brand nach dem 25:26 noch erklärt.

In einem packenden Spiel sorgte dabei der Flensburger Lars Christiansen drei Sekunden vor dem Ende mit einem verwandelten Siebenmeter gegen WM-Held Henning Fritz für die Entscheidung. Zuvor hatte der überragende Torhüter Johannes Bitter die Brand-Truppe lange vom Finaleinzug träumen lassen.

"Das mindert den sportlichen Wert"

Dass die deutsche Mannschaft einen weiteren Kraftakt gegen den alten Rivalen Frankreich, der noch alle Spieler an Bord hatte, nicht mehr schaffte, war nach acht Spielen in elf Turniertagen zumindest erklärbar. "Drei Hauptrundenspiele an drei Tagen, das kann nicht sein. Das mindert den sportlichen Wert der EM, man muss sich ganz, ganz schnell etwas anderes überlegen", sagte Brand.

Der Akku bei allen Teams war leer und nicht nur die deutsche Verletztenliste lang. Von dem bereits nach dem ersten Turnierspiel abgereisten Oleg Velyky (Kreuzbandriss) über Oliver Roggisch (Muskelfaserriss), Michael Kraus (Unterarm-Prellung), Torsten Jansen (Rippenprellung) und Florian Kehrmann (Oberschenkel) bis hin zu Sebastian Preiß (Knieentzündung), Christian Zeitz (Rücken) und im allerletzten Spiel noch Markus Baur (Verdacht auf Bänderdehnung) trug sich fast jeder mit Wehwehchen.

Die ersatzgeschwächte Mannschaft lag gegen die konzentriert spielenden Franzosen bereits nach 15 Minuten aussichtslos zurück (3: 12). Und es fehlten die Kraft und der Wille, sich gegen die Niederlage zu stemmen. Daher waren bei allen Verletzungssorgen und einer Bestätigung der eigenen Arbeit durch den siebten Halbfinaleinzug bei einem großen Turnier in der Ära Brand die Probleme im deutschen Spiel nicht zu übersehen. Vor allem im Angriff haperte es zu oft zu sehr.

Und jetzt Peking

"Wir wissen, dass wir da Nachholbedarf haben. Vor- und Hauptrunde waren doch sehr wechselhaft", sagte Brand. Im Vergleich zur goldenen Heim-WM sei spielerisch nicht in allen Bereichen ein Fortschritt eingetreten. Das wäre auch unrealistisch gewesen, so Brand, da bei der WM viele im deutschen Team an ihre Leistungsgrenzen gegangen seien. So sei Norwegen ein Turnier gewesen, "um sich zu stabilisieren". Geklappt hatte dies nur halbwegs, zudem machte sich die letzte Pleite nicht allzu gut in der Statistik.

So stellt Brand auch keinem der EM-Fahrer einen Freibrief für die Olympischen Spiele in Peking aus. Beim nächsten Länderspiel gegen die Schweiz im Februar will er "überwiegend junge Leute" testen. Auch beim Turnier in Österreich vor Ostern solle der eine oder andere aus dem erweiterten Kreis eine Chance bekommen.

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