Handball: Champions League:Nur Leere im Blick

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Meister und Pokalsieger auf nationaler Ebene, bester Torschütze im europäischen Wettbewerb - und nun trotzdem enttäuscht: Uwe Gensheimer verliert mit seinem neuen Klub Paris Saint-Germain das Finale gegen Außenseiter Skopje.

Von Michael Wilkening, Köln

Nein, das entsprach gar nicht seinem Wunsch, es war vielmehr eine Strafe. Ein Mitarbeiter der europäischen Handball-Federation EHF benötigte einiges an Überredungskunst, um ihn zu überzeugen, noch einmal auf das Siegerpodest zu steigen. Es gab ein kleines Wortgefecht, ehe er nachgab und emotionslos zurückkehrte. Uwe Gensheimer hatte das Podest ja gerade erst verlassen, mit einer Silbermedaille dekoriert. Und nun sollte der Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft in der Kölner Arena noch als erfolgreichster Torschütze der abgelaufenen Champions-League-Saison geehrt werden, für seine insgesamt 115 Treffer.

"Das bedeutet mir im Moment nichts", sagte Gensheimer. Im vergangenen Sommer war der Mannheimer zu Paris Saint-Germain gewechselt, um mit einem internationalen Ensemble von Spitzenkräften die Champions League zu gewinnen. Doch dieses Vorhaben scheiterte, denn die französische Mannschaft verlor das Finale gegen den Außenseiter RK Vardar Skopje durch einen Treffer in der vorletzten Sekunde 23:24. Der Klub aus Mazedonien sicherte sich damit erstmals die begehrte Trophäe.

In Paris würden sie gern mit dem Linksaußen verlängern - der Respekt für ihn ist groß

Also stand Uwe Gensheimer im Bauch der riesigen Kölner Arena, sein Blick spiegelte die Leere, die in ihm vorherrschte. Unmittelbar nach dem frustrierenden Ende für PSG hatte er zunächst regungslos auf dem Feld gestanden, beinahe eine Minute bewegte er sich überhaupt nicht. Später schleuderte er eine Wasserflasche wütend auf den Hallenboden, er warf den Tapeverband frustriert weg, der seine Handgelenke geschützt hatte. Gensheimer hat in seiner sportlichen Laufbahn schon einige bittere Niederlagen eingesteckt, aber eine Routineübung war das deshalb nicht. "Es tut weh. Nicht nur, weil wir verloren haben, sondern auch wie", sagte er.

Nur ganz knapp unterlegen: Uwe Gensheimer (rechts) stemmt sich vergeblich gegen Skopjes Jorge Maqueda Pena - und gegen die Niederlage generell. (Foto: Alex Grimm/Getty)

Acht Sekunden vor dem Ende hatte Paris zum 23:23 ausgeglichen, die Verlängerung war nah, ehe Ivan Cupic zwei Sekunden vor Schluss den Siegtreffer erzielte und seinem direkten Gegenspieler Gensheimer damit einen Stich versetzte. Minuten später versuchte eben dieser Cupic, ihn zu trösten. Zwischen 2010 und 2012 hatten beide gemeinsam bei den Rhein-Neckar Löwen gespielt, aber der Kroate fand in diesem Moment keinen Zugang zu seinem ehemaligen Mitspieler, Gensheimers Enttäuschung war zu groß. Meisterschaft und nationalen Pokal hat der 30-Jährige in seinem ersten Jahr in Frankreich gewonnen, doch dafür war er nicht gekommen. Der Triumph in der Champions League ist das erklärte Ziel des Klubs - und das von Gensheimer. Abgesehen vom zweitrangigen EHF-Pokal mit den Löwen 2013 hat er ja noch keinen großen internationalen Titel gewonnen. Beim sensationellen EM-Gewinn der deutschen Nationalmannschaft 2016 musste der Kapitän verletzt zuschauen. "Gebt mit ein paar Tage Zeit", sagte er nun den Journalisten, die nach einer Bilanz der ersten zwölf Monate in Frankreich fragten.

Zwei Tore hatten im Finale gefehlt, dann wäre diese Bilanz einfach gewesen und in einem Wort ausgefallen - "perfekt".

Als Gensheimer vor einem Jahr seinen Herzensverein Rhein-Neckar Löwen verließ, gab es keinen Zweifel an seiner sportlichen Eignung, sich dem Verein anzuschließen, der die größte Dichte an Weltstars besitzt. Dennoch war nicht absehbar, wie sich der Linksaußen in dem neuen Umfeld zurechtfinden würde. Gensheimer hatte bei den Erwachsenen nie für einen anderen Klub als die Löwen gespielt, von seinem Elternhaus in einem Mannheimer Vorort kann man mit dem Fahrrad zur Arena fahren. 13 Jahre lang spielte er in seiner Heimatstadt Handball, ehe er in die Metropole an der Seine weiterzog.

Trostpreis: Uwe Gensheimer sieht nicht glücklich aus mit der Auszeichnung für den besten Torjäger. (Foto: Alex Grimm/Getty)

Es dauerte nur wenige Monate, dann gab es von PSG-Offiziellen die erste Anfrage, ob sich Gensheimer vorstellen könne, seinen Vertrag vorzeitig zu verlängern. Der aktuelle Kontrakt läuft bis zum Sommer 2019, doch gerne würden die Geldgeber aus Katar den Flügelmann noch länger an sich binden. Eine Investorengruppe aus dem Emirat versorgt neben den Fußballern auch die Handballer von PSG mit den finanziellen Mitteln, und der Abgesandte für den Handball schwärmt von Gensheimer. Dessen Identifikation mit dem Arbeitgeber imponiert den Verantwortlichen. Gensheimer kam nicht nur wegen der üppigen Gehaltschecks nach Paris, oder wegen der Aussicht, große Titel zu gewinnen, Gensheimer wollte vom ersten Tag an ein Teil des Klubs sein - dafür wird er geliebt.

Die Fans von PSG feiern jedes seiner Tore mit einem eigenen Schlachtruf, so wie sie es auch bei Treffern von Nikola Karabatic, Mikkel Hansen oder Daniel Narcisse sowie nach Paraden von Thierry Omeyer tun. Das sind die Weltstars im Kader der Franzosen, und Uwe Gensheimer ist nicht bloß der Linksaußen in diesem Team, er ist selbst einer dieser Weltstars. "Uwe ist ein Ausnahmespieler, und ein besonderer Mensch", sagte Karabatic. Der Respekt für den Deutschen ist auch innerhalb der Mannschaft groß.

Gensheimers Wechsel nach Paris war deshalb eine richtige Entscheidung. Auch wenn er auf den Sieg in der Champions League noch warten muss.

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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