Hamburger SV:"Wir wollen Spieler wie Messi oder Robinho"

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Vorstandsvorsitzender Bernd Hoffmann über die Entwicklung und Visionen seines Hamburger SV

Interview: Jörg Marwedel

SZ: Herr Hoffmann, erstmal ein paar Personalien. Der Topstürmer Ruud van Nistelrooy von Manchester United ist gerade auf dem internationalen Markt. Wäre das nicht einer für den neuen, ambitionierten HSV?

Hoffmann: Nein, er passt eindeutig nicht in unser aktuelles Anforderungsprofil. Wir verpflichten Spieler, die außer fußballerischer Qualität noch Entwicklungspotenzial haben, und achten sehr darauf, dass das Gehaltsniveau ins Mannschaftsgefüge passt.

SZ: Sie hätten lieber einen wie Lukas Podolski gehabt?

Hoffmann: Ja. Es wäre schön gewesen, wenn er sich statt für den FC Bayern dafür entschieden hätte, zusammen mit einem Klub und einer Mannschaft wie dem HSV weiter zu wachsen.

SZ: In Ihrem Fahndungsraster findet sich auch Ivan Klasnic vom Nordrivalen Werder Bremen, mit dem sich der HSV am Samstag ein Endspiel um die direkte Qualifikation für die Champions League liefert.

Hoffmann: Stimmt, wir beobachten ihn wie viele andere Spieler auch seit langem. Alle Entscheidungen werden wir ganz in Ruhe nach dem letzten Spieltag treffen.

SZ: Dann wird sich auch erweisen, ob HSV-Kapitän Daniel van Buyten nach München wechselt. Wie groß wäre der Rückschlag nach der besten HSV-Saison seit fast zwanzig Jahren?

Hoffmann: Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, bis 2011 ein europäischer Spitzenklub zu sein und müssen genau überlegen, welche Entscheidung in diesem Zusammenhang die richtige ist. Spielerverkäufe gehören zum Geschäftsmodell fast jedes Klubs. Andererseits steht fest: Daniel ist ein Eckpfeiler unserer bisherigen Entwicklung, und wir sind nicht mehr gezwungen die Hacken zusammenzuschlagen, wenn die Bayern anrufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass van Buyten bleibt, ist viel höher, als sie noch vor einem Jahr gewesen wäre.

SZ: Warum?

Hoffmann: Drei Dinge haben sich verändert: Unser Tabellenplatz, die Qualität des Kaders und das wirtschaftliche Umfeld. Wir haben erstmals seit Jahren die Lizenz ohne Auflagen bekommen.

SZ: Verraten Sie uns, wie man aus einem mittelmäßigen, stark verschuldeten Verein einen Spitzenklub macht.

Hoffmann: Am Anfang braucht man außer Mut und Zuversicht eine ganz kleine Gruppe von Leuten, von denen man glaubt, dass man mit ihnen die Fußballwelt einreißen kann. Das waren der Aufsichtsratsvorsitzende Udo Bandow, Dietmar Beiersdorfer im sportlichen Bereich und Katja Kraus für Kommunikation, Marketing und die Abläufe im Verein.

SZ: Geld war damit allerdings noch nicht da.

Hoffmann: Wir haben für den notwendigen Umbruch in unserem Kader 20 Millionen Euro in die Hand genommen. Das wurde ermöglicht durch die vorzeitige Verlängerung eines Vermarktungsvertrages, durch den Verkauf von Tomas Ujfalusi nach Florenz für 7,5 Millionen, dazu kamen die Entschädigung für das manipulierte DFB-Pokalspiel in Paderborn und Erlössteigerungen in verschiedenen Bereichen. Mit diesem Geld galt es, ohne hohe Fehlerquote einige handverlesene Topspieler zu holen und drum herum ein Team zu bauen, zu dem neben einer neu aufgestellten medizinischen und physiotherapeutischen Abteilung auch ein Mentaltrainer und viele Helfer gehören.

SZ: Sie haben einmal gesagt, das Ziel im Fußball sei größtmöglicher sportlicher Erfolg bei Vermeidung der Insolvenz. Das wirft nicht gerade ein gutes Licht auf das Geschäft.

Hoffmann: Aber es bringt die Sache auf den Punkt. Es ist ein Irrglaube anzunehmen, ein Börsengang oder möglichst viel Kapital im Klub zu halten, bringe den Erfolg. Der Shareholder Value im Fußball ist der Punkt-, nicht der Kursgewinn. Andererseits muss man die notwendigen Strukturen schaffen, um den sportlichen Erfolg zu kapitalisieren.

SZ: Sie haben einen Fünf- und einen Zehnjahresplan aufgestellt, an deren Ende der HSV zu den besten zehn Klubs in Europa zählen soll. Fünfjahrespläne gab es im Sozialismus auch, sie haben nur selten funktioniert.

Hoffmann: Das hat nichts mit Sozialismus, sondern mit Ambitionen zu tun. In jedem vernünftigen Unternehmen hat man Visionen. Wenn wir sie konsequent und detailversessen umsetzen, haben wir eine realistische Chance, diese Ziele zu erreichen.

SZ: Wie wichtig ist es für den HSV, die direkte Qualifikation für die Champions League zu schaffen?

Hoffmann: Natürlich würde das unsere Planungssicherheit erhöhen. Garantierte zehn Millionen Euro mehr ermöglichen ein oder zwei große Transfers. Aber auch ein unberechtigter Elfmeter am Samstag oder ein Fehleinkauf können uns auf unserem Weg nicht aufhalten.

SZ: Das hat man bei Hertha BSC Berlin auch einmal gedacht, dem Klub, dem Sie in den neunziger Jahren als Geschäftsführer des Sportvermarkters Ufa Sports und später Sportfive einst auf die Sprünge halfen. Dort kann man von der Champions League nur noch träumen, und Geld ist auch keins mehr da.

Hoffmann: Hertha hat zwar den Hauptstadt-Bonus, aber auch einen großen Wettbewerbsnachteil. Im denkmalgeschützten Olympiastadion ist die Distanz der Fans zur Mannschaft viel zu groß, da entsteht nur schwer eine Kultur der Nähe zum Verein.

SZ: Als Vorbild des Projektes HSV nennen Sie gern Manchester United - wegen der Kontinuität in der Führung und der perfekten Vermarktung. Wird Dietmar Beiersdorfer einmal der Uli Hoeneß oder Alex Ferguson von Hamburg?

Hoffmann: Das wäre wünschenswert, denn seine Fähigkeit, Potenziale von Spielern zu beurteilen, ist exzellent. Das hat man nicht nur bei den Verpflichtungen gesehen, sondern auch bei Spielern, die wir abgegeben haben.

SZ: Beiersdorfer wirkt meist sehr bedächtig, dabei kommt es auf dem Transfermarkt oft auf Cleverness und Schnelligkeit an.

Hoffmann: Man braucht im Vorstand wie in einer guten Fußballmannschaft verschiedene Profile, die sich sinnvoll ergänzen. Ich bin eher der impulsive Part.

SZ: Die Scouting-Abteilung des HSV ist in nur drei Jahren zu einer der besten in der Bundesliga geworden. Ist sie das Kernstück des Aufschwungs?

Hoffmann: Sie ist für unsere Entwicklung tatsächlich zentral. Die Erfolge bei den Spielerverpflichtungen zeigen ja, wie wichtig die Marktkenntnisse einer solchen Entwicklungsabteilung sind. Allerdings wird von uns erst 30 Prozent des relevanten Marktes so intensiv gescoutet, wie ich mir das vorstelle.

SZ: Sie sind wohl nie zufrieden.

Hoffmann: Ziel muss es sein, dass Spieler der Klasse eines Messi, Robinho oder Eto'o ihre ersten Schritte in Europa beim HSV machen, wenn sie noch nicht 30 Millionen Euro kosten.

SZ: So hat es der PSV Eindhoven aus den Niederlanden vorgeführt, der einst die brasilianischen Wunderknaben Romario und Ronaldo als Erster nach Europa lockte.

Hoffmann: Ein gutes Beispiel. Eindhoven steht mit überschaubarem wirtschaftlichem Einsatz in der Fünfjahres-Rangliste der Uefa vor dem FC Bayern. Auch der FC Porto oder Olympique Lyon zeigen, wie man Wettbewerbsnachteile gegenüber Klubs wie Chelsea oder Real Madrid relativieren kann. Die Bundesliga hat da viel nachzuholen.

SZ: Wir müssen noch über den hochgelobten Trainer Thomas Doll sprechen. Können Sie sich vorstellen, dass er zehn Jahre bleibt?

Hoffmann: Beispiele wie Arsène Wenger von Arsenal London, Alex Ferguson von Manchester United und Thomas Schaaf bei Werder Bremen zeigen, dass Trainer auch langfristig bei einem Klub erfolgreich sein können. Es ist eine ebenso sympathische wie erstrebenswerte Vorstellung, dass er sich im Einklang mit dem HSV zu einem internationalen Toptrainer entwickelt. Ein Trainer muss nicht nur zum Verein, sondern auch zum Vorstand passen. Und Thomas trägt unsere Philosophie zu hundert Prozent mit.

SZ: Die setzt, wenn man das Schwärmen von Profis wie Rafael van der Vaart oder Khalid Boulahrouz über die familiäre Atmosphäre im Klub hört, offenbar auf ein besonderes HSV-Gefühl.

Hoffmann: Ja, es geht darum, wie sich Leistung am besten entfalten kann, und das ist zweifellos in einem exzellenten Betriebsklima der Fall.

SZ: Eine solche Erkenntnis hatten viele Skeptiker Ihnen nicht zugetraut. Sie wurden als kalter Geschäftsmann nicht nur freundlich aufgenommen.

Hoffmann: Ich habe immer daran geglaubt, dass man im Fußball auch etwas bewegen kann, wenn man die eigene Karriere in der C2 von Bayer Leverkusen beendet und seine Ausbildung an der Universität Köln und nicht beim 1. FC Köln absolviert hat.

© SZ vom 11.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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